Wie man sich während Corona beschäftigt
Die Coronakrise hat ihr erstes Opfer gefordert. Bei einer routinemäßigen Runde Tetris in der Garage kam ich nicht daran vorbei die inzwischen staub ansetzenden Kajaks herumzuschlichten. Schon vor einigen Wochen war mir dabei aufgefallen, dass sich in unserem Wimmelbild von Garage zumindest eine Maus versteckt haben muss. Auf ihr Konto gehen nämlich inzwischen ganze drei Luftsäcke. Da jeder von diesen im Schnitt so alt war wie ich, kann man mal drüber wegsehen und sagen, dass es vermutlich eh gscheid gewesen wär die mal zu tauschen.
Nun allerdings hat es die Maus zu weit getrieben. Ihr nächstes Opfer: Meinen Kajaksitz! Zur Erläuterung. Ich bin mit einem Kendo Jahrgang 1997 – 1999 unterwegs. Mein Sitz besteht also nicht, wie der von anderen Kendo-Modellen aus Hartplastik, sondern aus geschäumtem Kunststoff. Und diesen haben sich die Mäuse schmecken lassen. Man kann jetzt spekulieren ob alles was mein Hintern berührt zum Anbeißen ist oder ob es sich um ein unerklärliches Phänomen handelt sowie Marder die Radioantennenisolierungen von einem 4er Golf vergöttern.
Egal, das Ausmaß des Schadens zeigt die erste Bilderreihe. Gefressen haben sie den Kunststoff nicht. Nur zerbissen, dann liegengelassen und mit einer kleinen Menge „Mäusepömmerl“ verfeinert.
Glück im Unglück muss man dennoch unterstreichen, denn immerhin blieb die so hochergonomisch geformte Sitzschale zumindest auf der Sitzoberfläche von den Mäusen verschont. Einer Reparatur steht damit nichts im Wege. Zumindest jetzt nicht mehr. Der für den Kajaksitz lebensnotwendige Silikon darf inzwischen wieder eingekauft werden. Ein Hoch auf die Baumarktöffnung. Mit Gesichtsmaske, Haube, kurzer Hose und hohen Stiefeln bewaffnet werden zwei Silikonkartuschen und eine Pistole in einem Schwerlastwagerl Richtung Kasse chauffiert. Daheim angekommen wird mal alles vorbereitet.
Das nächste Bild zeigt das volle Ausmaß des Schadens:
Fast der gesamte Mittelsteg ist verspeist worden ebenso wie die rechte Rundung der Sitzfläche. Ein paar Millimeter mehr auf dieser Seite und ich hätte eine Sitzkühlung. Zusätzlich gibt’s noch ein paar vereinzelte unmotivierte Kostproben, welche nicht ganz so gut gemundet haben dürften. Dazwischen ein Riss, der vermutlich durch die Belastung meiner zarten 72kg auf den bereits bedienten Sitz hervorgerufen wurde. Und wie beginnt man nun so eine Sanierung?
In diesem Fall mit einer Schablone und jede Menge Werkzeug:
Jetzt machen sich meine Jahre des Trainings bezahlt während ich ganze Sommer im Keller verbracht habe um aus Mörtelklumpen Kugelbahnen aus Sand zu bauen. Auch wenn von außen betrachtet die motorischen Fähigkeiten zwischen damals und heute scheinbar nicht zugenommen haben dürften so hat dieser stümperhafte Versuch doch recht zufriedenstellende Ergebnisse gebracht, wie der Zwischenstand nach Kartusche 1 beweist:
Nach weiteren 30 Minuten, einer weiteren halben Kartusche, einem gerissenen Handschuh und Silikon auf meiner gesamten Handfläche war ich der Meinung, dass es jetzt genug ist. Mit Spüli wurden die Oberflächen noch schön verschmiert und dann ging es für das vorläufige Endergebnis den restlichen Tag in die brütende Sonne.
Nach einem weiteren Tag in der Sonne und noch einem weiteren Tag in der Sonne schätzte ich das Silikon für hart genug ein um es von seiner Schablone loslösen zu können. Falsch gedacht. Das Silikon war noch nicht stark genug um sich eigenen Kraftes von seiner inzwischen liebgewonnenen Barriere zu verabschieden. Schwerenherzens musste diese Verbindung also brutal zerstückelt werden. Das Ergebniss sieht aus wie wenn jemand ohne jegliche Erfahrung unbedingt Doktor spielen will und sich dabei gleich an ein Verbrennungsopfer der schwersten Stufe heranwagt um ihm die angeschmolzene Kleidung vom Fleisch zu lösen. Möglichst alles von der Kleidung wegschneiden, aber möglichst wenig vom Fleisch. Nein, danke. Mein Traumberuf wird das nicht mehr. Nach dem chirurgischen Eingriff sieht das Resultat folgendermaßen aus:
Das darunterliegende Fleisch hat sich auf physikalischer Ebene noch nicht zur Gänze entschieden ob es eher Blut oder Fleisch sein möchte und daher geht das noch zuckende Silikon für den restlichen Tag wieder zurück in die Sonne, und den Tag darauf, und den Tag darauf. Dann geht’s zur nächsten Behandlung: Der kosmetischen Korrektur. Diese beinhaltet das Wegschneiden der erhöhten Ränder auf den Seiten, welche durch die Bindungskräfte des Silikons mit der liebgewonnen Schablone entstanden waren. Diese Prozedur geht ohne Komplikationen über die Bühne. Als letztes gilt es noch die seitlichen Narben wieder zu verdecken, welche der angehende Soziophat beim Training für das Abziehen der Haut seines ersten Opfers hinterlassen hat. Dafür werden die Reste des Silikons nochmals mit Handschuh und Spüli großzügig auf die seitlichen Flanken aufgetragen und verschmiert. Das Resultat kann sich sehen lassen.
Der Kajaksitz ist inzwischen durch die ganzen Prozeduren sichtlich verstört und braucht eine Therapie. Da er die bei mir nicht bekommen wird gibt es jetzt erst mal 1 Woche Abstand zu mir, bei der er in der Sonne die vergangen Erlebnisse verarbeiten darf. Danach werden wir sehen ob sich der Zustand des Patienten verfestigt hat. Update folgt.
Update vom 03.05.2020: Nach einer lang ersehnten Ausfahrt auf der Salza vom Campingplatz in Wildalpen bis Pertus zeigt sich das Resultat der harten Arbeit, nämlich gar nicht. Der Sitz tut unverändert genau gar nichts um dem Insassen seine Sitzposition angenehmer oder unangenehmer zu gestalten als vorher. Und nachdem das Silikon bis dato nicht entschieden hat wieder unter dem Sitz hervorzukriechen bleibt nur zu hoffen, dass die Maus, sofern sie an die Garagendecke springen kann, keinen Geschmack an Silikon gefunden hat.
Euer Paddelclub Pernitz