Pegeljagd auf höchstem Niveau
Nachdem die Schwechat am gestrigen Sonntag ihr Maximum von 280cm am Pegel Klausenleopoldsdorf erreicht hat, befindet sie sich der Wasserstand heute schon wieder auf Sinkflug. Um 08:00 Früh schlägt der Pegel aber immer noch über 190cm an und befindet sich damit noch über der empfohlenen Maximalwassermenge. Nach einer zweistündigen mathematischen Hochrechnung unter Zuhilfenahme einer quadratischen Fehlerfunktion und ein paar Matrizenoperationen später spuckt mein provisorisches Modell eine plausible Wasserstandsvorhersage von 185cm für 14:00 voraus.
Überrascht von meiner eigenen Fähigkeit ein mathematisches Modell auf einen Flusspegelverlauf anwenden zu können und einer noch viel überraschender ausfallender Abweichung um lediglich wenige Kommastellen, stehen Manuel, Lorenz, Philipp und Julian kurz nach 14:00 am 22.06.2020 am Holzrechenplatz in Baden und schauen auf eine braune Suppe, die sich talauswärts schiebt. Der Pegel passt, das Wetter auch. Sonnig, warm und Wassermassen, wie man sie sonst nur nach einer Schneeschmelze eines schneereichen Winters erlebt. Was will Paddler mehr?
Am Weg zum Einstieg werden die Hochwasserverbauungen, welche gestern noch ganze Seen zurückgehalten haben auf Hindernisse gesichtet. Die Verbauung in Alland liegt frei, vermutlich dankenswerter Weise aufgrund des Baggers, der gestern noch nicht dort stand. Die Hauptklause ist da schon herausfordernder. Der flussabwärts gesehen rechte Eingang ist durch Holz blockiert. Der linke Eingang ist ebenfalls zur Hälfte verlegt, scheint aber passierbar. Der Wasserverlauf im Becken hat sich ebenfalls grundlegend verändert. Anstatt mehrerer kleiner Bäche, gibt es nur mehr zwei Verläufe, welche durch eine annähernd 2 Meter hohe Schotterinsel in der Mitte getrennt werden. Letzten Monat war die noch nicht da. Der Vergleich unten zeigt es deutlich.
Bevor wir uns in die Fluten stürzen noch ein Blick auf die andere Seite der Klause. Keine Bäume oder andere Hindernisse. Das Zusammentreffen der Schrägwalzen ist bei weitem nicht mehr so furchteinflößend wie noch einen Tag zuvor. Aber auch hier ist der Unterschied zwischen 160cm und 185cm deutlich erkennbar. Einbooten!
Der neue Wasserverlauf erzeugt ein schönes Kehrwasser direkt vor der der linken Durchfahrt und ermöglicht eine letzte Besichtigung. Alles frei. In der Mitte der Durchfahrt befindet sich eine etwas störende schräge Welle. Jetzt weiß ich wieder warum ich sonst rechts fahre. Dann wird es dunkel. Die schräge Walze schaufelt Wasser über das Boot. Die Spitze zieht nach rechts, das Licht kommt näher. Jetzt 3 kräftige Schläge. Über die Holzrutsche nimmt die Geschwindigkeit stark zu. Die Augen haben sich noch nicht einmal an das Licht am anderen Ende des Tunnels gewöhnt, da sticht die Bootspitze auch schon mitten in den Weißwasserwulst. Es folgt eine Walze, dann eine zweite und dann rechts ins Kehrwasser. Jetzt haben sich die Augen wieder eingewöhnt.
In Respektabstand folgen drei weitere bunte Boote. Alle sind gut durchgekommen. Manuel nutzt die ersten Walzen gleich zum Abkühlen. Das Rollen gestaltet sich als schwierig. Der Boden ist nicht so weit entfernt, wie die Weißwasserkronen es erahnen lassen. Die nächsten Kilometer sind kräfteraubend. Zahlreiche Walzen und Wellen laden zum Surfen ein. Die zugehörigen Kehrwässer sind aber rar und wenn dann nie dort wo man sie braucht. Links und rechts sieht man Wiesen, welche das Hochwasser noch vor wenigen Stunden überspült und niedergedrückt hat.
Desto weiter wir in das Helental vordringen umso stärker werden die Kontraste zwischen den sich abwechselnden Abfällen und ruhigeren Abschnitten. Sie stehen den Stromschnellen im oberen Teil aber keineswegs nach. Kurz vor Baden, in einer markanten S-Kurve tun sich zwei Bäume auf. Aufgrund ihrer ungewöhnlich horizontalen Lage stellen sie für uns Paddler ein ernstzunehmendes Hindernis dar. Die Durchfahrt ist nach kurzer Suche gefunden. In Baden selbst steht der anstrengendste Teil erst bevor. Die zahlreichen Steinstufen laden zu ausgelassenen Spielerein ein. Nach drei Stunden spürt man das langsam in den Armen. Julian spürt es am ganzen Körper, als er kentert und samt Boot ans Ufer schwimmt. Er wirkt erleichtert, wahrscheinlich weil das Wasser schön runterkühlt.
Auf den letzten Metern wird dann noch einmal gerollt. Lieber dreckig vom Wasser als stinkert vom Schweiß. Am Ausstieg sind wir uns einig. Der Pegel an der Schwechat könnte ruhig öfter mal so nach oben ausreißen. Hoffentlich bald! Bis zum nächsten Ausreißer.
Euer Paddelclub Pernitz