Einmal Soca mit alles, bitte!
Am zweiten Tag wird eine Schippe draufgelegt. Heute stehen die Slalomstrecke und die Abseilstrecke auf dem Programm. Und zum gemütlichen Einfahren gibt’s noch einmal die Friedhofstrecke. Damit stehen knappe 10km mit Wildwasser bis zur vierten Stufe zwischen mir und meinem Abendessen. Das Frühstück fällt dementsprechend üppig aus. Pünktlich gegen 10:00 Vormittag macht sich eine fast 20 Boot starke Karawane auf Richtung Sprenica.
Doch der Tag beginnt für den Verfasser dieser Zeilen nicht gerade vielversprechend. Noch vor der eigentlichen Friedhofstrecke kentert mein Boot im Zuge einer missglückten Spielerei vor einem Felsen. Einer Panikreaktion geschuldet, steige ich aus und schwimme. Boot und Paddel ist schnell heraussen. Trotzdem, aufbauend ist das nicht gerade. Eine Rettung einer in Schock verfallenden Schlauchbootfahrerin später, erreichen wir die Friedhofstrecke. Ein Salzburger absolviert ebenfalls noch einen Schwimmer direkt vor der Einfahrt. Die restliche Friedhofstrecke verläuft ohne Zwischenfälle. Richtig wohl fühle ich mich aber trotzdem nicht. Immerhin umgehe ich diesmal jenem Weißwassergumpen, der mich gestern noch zum Stützen zwang.
An der Schotterbank zwischen Friedhofstrecke und Slalomstrecke wird zusammengewartet. Es folgt eine kurze Gruppeneinteilung und Einweisung. Nicht Schwimmen, lautet die Anweisung. Eine Weiterfahrt in die große Schlucht mit ihren Siphonen soll so unbedingt vermieden werden. Dann geht es auch schon los. Die ersten 100 Meter folge ich spurtreu der Linie des Vordermanns. Die hohe Dichte an Schwällen und das Wuchtwasser lassen jetzt keinen Platz für Zweifel mehr. Als ich im ersten Kehrwasser liege ist von Unsicherheit nichts mehr zu spüren. Adrenalinpegel und Konzentration sind auf Anschlag.
Ich erinnre mich nicht mehr an viel außer an viel Wuchtwasser und große Felsen. Die Landschaft zieht unbeachtet meinerseits vorbei. Ehe ich es bemerke liegen wir auch schon im letzten Kehrwasser. Unter meinem Boot kommen Pilze an die Oberfläche. Die Wasseroberfläche ist chaotisch. Flussabwärts liegen zwei Felsen, dazwischen drei Schlitze. Der Blick auf den Dümpel dahinter ist mir durch die Felsen versperrt. Ich habe keine Ahnung, was nach dem Abfall lauert. Einer nach dem anderen quert den Flusslauf und verschwindet hinter dem Horizont. Dann bin ich an der Reihe. Das Kehrwasser ist rechts, die Durchfahrt links. Eine ganze Querung ist notwendig. Seilfähre, Seilfähre, dann schnappt eine Verschneidung plötzlich nach dem Heck meines Bootes. Ein kurzer Schreckmoment, kein Problem, alles kein Problem. Seilfähre, Seilfähre, Schwung holen und Einschwingen.
Im Hauptwasser zieht mein Salto über die Rutsche zwischen den Felsen und landet unbeeindruckt in einem großen breiten Dümpel. Die Strömung ist stark, aber übersichtlich. Der Blick zurück ist faszinierend. Da bin ich gerade durch? Ein letzter Uferwechsel und schon sind wir am Ausstieg. Erst als ich samt Boot auf den Schultern am Ufer stehe bekomme ich einen Überblick über die gefahrene Strecke. Unterhalb des letzten Beckens hängt ein Warnschild für die große Schlucht. Am Parkplatz angelangt spüre ich meine Arme. Ob das vom Paddeln oder vom Tragen kommt? Vermutlich beides.
Während die eine Hälfte auspendelt bleibt Zeit für eine kurze Mittagspause. Eine bunte Mischung aus Früchte- und Müsliriegeln füllt die erschöpften Zucker und Kohlehydratspeicher wieder auf. Und noch bevor diese den Magen überhaupt erreicht haben werden schon wieder Boote aufs Dach geladen und es geht weiter Richtung Abseilstrecke.
Nachschlag gefällig?
Die Riegel liegen etwas schwer im Magen. Sämtliche Kalorien, welche gerade wieder aufgefüllt wurden, werden nun über die nächsten 120 Höhenmeter Abstieg wieder verbrannt. Und das wortwörtlich, so heiß und schweißtreibend wie sich der Zustieg gestaltet. Unten angekommen, kann das Wasser der Soca gar nicht kalt genug sein. Sobald die Körpertemperatur nicht mehr einem Fieberkranken gleicht legt sich der Fokus wieder auf den Flusslauf. Gleich zu Beginn fordert die Abseilstrecke eine penible Linienwahl in einer S-Kurve zwischen zwei großen Felsen. Die Herausforderung liegt darin, dass das Hauptwasser zum Großteil im überhängenden ersten Felsen verschwindet. Rechts zum Umfahren ist wenig Wasser. Steinkontakt ist vorprogrammiert.
Ein Routinier zeigt vor wie es geht. Weit rechts anfahren, eine Rutsche über eine Felsplatte nehmen und versuchen im folgenden Weißwasserchaos nicht zu schwimmen. Es folgen weitere Routiniers welche, ob gewollt oder ungewollt, von dieser Linie abweichen. Diese sind nur von mäßigem Erfolg gekrönt. Die Tatsache, dass mein Boot ohne Rollen durch diese Passage durchfährt, während andere Paddler eine kurze Dusche vornehmen entschädigt innerlich für den verhunzten Start noch vor der Friedhofstrecke. Es folgt Wuchtwasser ähnlich der Slalomstrecke jedoch weitaus übersichtlicher.
Zwischendurch tischt die Abseilstrecke Wuchtwasserpassagen auf, die einem im eigenen Boot zum Beifahrer machen. Abfälle und Wellentäler nehmen Ausmaße an, sodass selbst ausgewachsene Creeker zu einer Untwasserexpedition aufbrechen. Wenn dann auch noch der Vordermann im Weißwasserchaos herumrollt während man selbst halbgeblendet von den Wassermassen versucht seiner Spur zu folgen, dann ist der Spaß garantiert. Sogar Walzen, wie sie in Wildalpen normal Angstgegner sind, werden zum Spielen genutzt. Hier lädt mich dann auch mein Boot zu einer spontanen Rolle ein. Beim zweiten Mal in der Walze kann ich meinen Salto dann vom Rollen abhalten. Das Stützten spüre ich aber nachher in der Schulter.
Ein letzter erwähnenswerter Schwimmer meinerseits ereignet sich schon recht nahe des Ausstiegs. Ein Salzburger nutzt gerade eine Welle zum Surfen als ich von oben hinein in selbige einfahre. Während sein Boot gerade einen Versuch unternahm zu kerzeln, entschied ich mich seine Bootsspitze nicht mit meinem Gesicht zu blocken und fuhr schräg auf der falschen Kante in das Wellental hinein. Diese ungewollte Konfrontation endet für mich mit einem Rollversuch in einem Kehrwasser ein paar Meter flussabwärts. Aufgrund einer nahen Felswand, welche mir das Aufdrehen unmöglich macht, wird aus dem Rollversuch ein Schwimmer. Blöde Aktion. Naja, immerhin war das nicht zur Gänze mein Fahrfehler.
Es folgt immer leichter werdendes Wildwasser bis zur finalen Schlucht mit der Unterschreitung der Napoleonbrücke. Danach hat sich die Soca vom Niveau einer hochwasserführenden Schwechat zu einer hochsommerlichen Leitha gewandelt. Kurz danach folgt der Ausstieg. Die hier verbrannten Kalorien werden bei einer abendlichen Grillerei auf Kosten des Salzburger Kajak Clubs wieder aufgefüllt. Die letzte Nacht im Zelt verläuft durchwegs im Tiefschlaf. Ich bin sogar zu müde zum Träumen. Am nächsten Morgen heißt es Abschied nehmen. Während die Salzburger noch den Vormittag nutzen geht es für mich wieder zurück in die Heimat mit jeder Menge neuer Eindrücke und Sand in meinem Neoprenanzug. An dieser Stelle sei noch ein herzlicher Dank an den SKC ausgesprochen. Das wird sicher nicht unsere letzte gemeinsame Begegnung gewesen sein.
Euer Paddelclub Pernitz