Wildalpen 2020

Normal 0 false false false DE-AT X-NONE AR-SA Wenn Bäume wie Streichhölzer knicken

Endlich kommt mal ein Bericht von der Salza. Unglaublich eigentlich. Seit einem Jahr dokumentiere ich nun inzwischen unsere Fahrtenberichte und bis jetzt gab es keine offizielle Ausfahrt auf der Salza. Man müsste sich fast schämen. Ist die untere Salza doch sowas wie unser erstes und liebstes Refugium sobald bei uns die sommerliche Wasserknappheit Einzug hält. Wobei, ganz so stimmt die Rechnung auch wieder nicht. Eigentlich war der Autor dieser Zeilen dieses Jahr schon dreimal in Wildalpen. Die zwei Ausfahrten im Mai erwähnen wir aber aufgrund des: „Dessen-Namen-nicht-genannt-werden-darf“ besser nicht zu ausführlich und die dritte Ausfahrt fand im Rahmen einer 45er Feier statt. Einer privaten Feier, nicht die Vereinsfeier. Es soll auch Paddler geben, das Erreichen dieser Altersmarke als einen Grund zum Feiern ansehen.

Trotzdem stellen wir die Zeitrechnung heute auf Null und berichten von der ersten Wildalpen-Ausfahrt seit Beginn der Online-Berichterstattung. Wir hätten uns dafür kein erinnerungsträchtigeres Wochenende aussuchen können. Der Start erfolgt am Samstag den 03.10. gegen 12:00 in Fachwerk. Dort treffen sich Martin, Lorenz, Philipp, Fiona, Moritz und Julian, um eine gemütliche Tour durch die Palfauer Schlucht bis Saggraben in Angriff zu nehmen. Das Wetter ist sehr atypisch. Statt wolkenverhangenen Berghängen und Nieselregen gibt es dank Föhnsturm Sonnenschein und beinahe schweißtreibende 22 Grad.

Am Einstieg merken wir von dem Sturm noch nichts. Es ist leicht bedeckt. Ehe die Fahrt überhaupt erst richtig beginnt, wird sie schon wieder unterbrochen. Eine Walze bringt Moritz zu Fall. Seine nagelneue Granate, die bis zu diesem Zeitpunkt noch komplett unversehrt war, sammelt die ersten Kratzer am Oberdeck ohne ihn. Immerhin ist jetzt der Kunststoffgeruch aus dem Inneren weggewaschen. Nach dem Ausleeren zieht Lorenz das leere Boot auf die andere Seite, wo Moritz untätig zusehen musste, wie sein Boot für ihn geborgen wird.

Die nächsten Kilometer verlaufen ohne Vorkommnisse. Der Wasserstand reicht aus, um sich ein paar Mal in der Moosrutsche hin- und herschieben zu lassen. Der nachfolgende Lawinenschwall stellt nach einer kurzen Besichtigung auch kein Problem dar. Erst einige hundert Meter später schaffen es die ersten Sturmböen bis auf die Talsohle hinunter. Das Paddeln wird durch den heftigen Winddruck im Paddelblatt merklich erschwert. In einem Segelboot hätte ich jetzt schon überlegt die Segel zu reffen.

In einem wuchtigen Katarakt vorm Petrus entlädt sich diese enorme Kraft unkontrollierbar. Zuerst schwimmt Martin. Sein Schlauchkajak ist weit windanfälliger als unsere Plastikboote und da verwundert es kaum, dass er zwischen Walzenlöchern und Gegenwindböen, die sogar Paragleiter senkrecht starten hätten lassen können, zu Fall kommt. Noch bevor Martin wieder im Boot sitzt schwimmt ein Anfänger im selben Katarakt bootslos seinem Lehrer hinterher. Nachdem ich gerade am Ufer nichts anderes zu tun hatte schmiss ich ihm einen Wurfsack hinterher. Ein erleichtertes „Danke!“ wiegt die Mühen des nachträglichen Wurfsack Verholens sofort wieder auf. Es geht weiter.

Doch nur wenige Meter um die Kurve höre ich ein plötzlich ein lautes Knacken. Ich blicke nach oben. Gewitter sollten erst später aufziehen. Außerdem war es für ein Grollen nicht dumpf genug. Es knackt weiter. Es wird lauter. Ein Ächzen kommt hinzu. Ich drehe mich um. Über mir sehe ich wie die schwarzen Silhouetten zweier Vögel von der mutmaßlichen Geräuschquelle fliehen. Ich blicke flussaufwärts. Julian ruft etwas. Die Geräusche werden mehr. Dann wechselt er zum anderen Ufer. Martin und Fiona folgen ihm. Moritz und Lorenz haben inzwischen ebenfalls die Seite gewechselt. Ich flüchte. Splittergeräusche. Bäume!

Nur Augenblicke später schießen hinter einer Felswand einzelne kleine Äste hervor. Als nächstes folgt eine Staubwolke aus Blättern und Holzstaub, wie man sie sonst neben einem industriellen Sägewerk erwarten würde. Der Wind treibt die Wolke über die Wasseroberfläche flussabwärts, direkt über uns. Der Geruch von frischer Sägespähne liegt in der Luft. Das Atmen fällt schwer, die Augen tränen. Der feine Staub zwingt einen den Blick vom Unglücksort abzuwenden. Wenig später ist die Wolke vorübergezogen. Alles was jetzt noch an den Baumsturz erinnert sind Blätter und kleine Äste, die in der Strömung treiben.

Nun ist es wieder still. Lediglich der Wind braust lautstark über unsere Köpfe. Ohne großartig Worte zu verlieren verständigen wir uns darauf die Fahrt eher flott fortzusetzen. Direkt vorm Pertus hängt ein Baum in einem ungesunden Winkel über die halbe Flussbreite. Weiter hinter im Wald ächzt es erneut bedrohlich. Wir halten Respektabstand ein. Vor uns treibt der Gegenwind die Gischt von den Walzen in die Luft. Die Kontrolle über das Boot wird dadurch nur weiter erschwert. Moritz wirkt mit dem Wind leicht überfordert. Er schwimmt erneut.

Wenig später sind wir tief genug in das Tal vorgedrungen, sodass die Sturmböen nun wieder weit über unseren Köpfen ihr Unwesen treiben. Die Konzentration wird nun wieder vollends auf das Kajaken gerichtet. Bei Martin und Moritz offensichtlich nicht genug. Eine wuchtige Passage unterhalb vom Pertus zerlegt beide. Moritz fällt einem Stein zum Opfer, während Martin mit seinem Schlauchkajak an die Grenzen der Wuchtwasserbeständigkeit gerät. Einige hundert Meter später haben wir beide Boote samt Paddler wieder am Ufer. Es folgt die Wasserlochklamm mit dem Sprungsteg. Fiona und Julian unterziehen sich den kritischen Blicken der Jury und beweisen eindrucksvoll, dass sie in diesem Leben keine Kunstspringer mehr werden. Mir fällt zwischenzeitlich ein Ast auf den Kopf. Helm sei Dank!

Einige Kehren später frischt der Wind erneut auf. Im Wald links von mir kann ich beobachten wie ein Jungbaum den Sturmböen nicht mehr standhält. Kurze Zeit später segeln erneut Unmengen von Blättern durch die Luft. Ich blicke nach hinten, um mich zu vergewissern, dass Martin und Fiona eh noch da sind. Dabei bekomme ich gerade noch eine etwa zwei Meter breite Wasserfontäne zu Gesicht, die sich keine 100 Meter hinter Fiona aus dem Wasser hebt. Ihre Armbewegung zeigt deutlich was uns da gerade verpasst hat. Steine! Nein. Felsen! Fiona streckt beide Arme nach links und rechts, um die Größe der gefallenen Brocken zu demonstrieren.

Jetzt wird’s aber Zeit. Es reicht. Genug von Windbruch und Gerölllawinen. Wir legen einen Zahn zu und verschwinden in der langen Gasse. In Erzhalden gibt es erst einmal eine Pause. Die Vorkommnisse der letzten Minuten werden nur spärlich tangiert. Stattdessen sonnt man sich bei Apfel und Müsliriegel auf der betonierten Steintreppe. Nun sollte ja erst das eigentliche Highlight folgen. Die Palfauer Schlucht. Für Martin und Moritz ist das ihre persönliche Erstbefahrung.

Im Vergleich zur bisherigen Strecke bietet die Schlucht zwar schönere Schwallstrecken und Abfälle, dafür aber auch weit weniger spannendere Umweltbedingungen. Der Wind ist weg und die Sonne heizt auf höchster Stufe. Unmengen an vorbeifahrenden Rafts lassen nicht ansatzweise erahnen, welche Naturgewalten oben um die Berggipfel toben. Am Ausstieg angelangt, gibt’s einen Radler und einen kurzen Regenschauer. Der Föhn bricht zusammen. Die Gewitterfront ist bereits in der Ferne zu erahnen.

Bevor es zum wohlverdienten Essen ins Gasthaus zum Krug geht, werden noch schnell die nassen Neoprensachen, mehr oder weniger sturmsicher, bei der Nachbagauer zum Trocknen aufgehängt. Die Gewitterfront bleibt aus. Die erhofften Regenmengen auch. Der Pegel wird davon wohl kaum profitieren. Egal. Der restliche Abend wird mit schlechten Technikerwitzen bei einem Fibi-Lagerfeuer verbracht. Schauen wir mal wies morgen aussieht. Und ob vom Wald überhaupt noch was steht. Gute Nacht!

Normal 0 false false false DE-AT X-NONE AR-SA Gelegenheit zur Revanche

Der nächste Morgen beginnt gleich einmal mit einem prüfenden Blick aus dem Fenster. Der Sturm der vergangenen Nacht hinterlässt Zweifel ob die Neoprensachen auch tatsächlich sturmsicher vertäut wurden. Aus der Ferne sieht es so aus, als ob noch alles da wäre. Bäume stehen auch noch jede Menge. So schlimm dürfte es also nicht gewesen sein. Gut, dann kann man ja beruhigten Gewissens zum Frühstück schreiten. Für den Autor dieser Zeilen gibt es Früchtetee und fünf Weckerl mit Streichwurst. Besser kann ein Tag bei 6° Frühtemperatur wohl kaum beginnen.

Es folgt ein prüfender Blick auf den Onlinepegel. Ernüchterung macht sich breit. Der Pegel liegt unverändert bei 155cm in Wildalpen. Dem zufolge beschließen wir einfach dieselbe Strecke wie gestern zu fahren. Somit bietet sich für einige die Möglichkeit einer Revanche bei gewissen Streckenabschnitten. Nachdem Frühstück vernichtet, Gewand gepackt und Boote verladen sind geht’s auf nach Fachwerk. Trotz Auspendelns sind wir heute mehr als eine Stunde früher dran. Auch heute scheint die Sonne wieder vom wolkenlosen Himmel. Lediglich die Temperaturen sind gegenüber gestern etwas gedämpfter was in der Abwesenheit des Föhnsturm begründet ist.

Dem schönen Wetter geschuldet, starten Lorenz und Philipp über die Bootsrutsche ins Wasser. Der geringe Wasserstand lässt nur wenig Platz zwischen der Landungszone und den nachfolgenden Holzpfeilern. Bei der hohen Landungsgeschwindigkeit bleibt dementsprechend nicht viel Zeit, den geradeaus gerichteten Impuls im Wasser umzulenken. Dennoch, das Manöver gelingt. Weder ich noch Lorenz müssen aus der Holzverbauung gepflückt werden. Die übrigen Begleiter wässern ihre Boote in ruhendem Zustand.

Die ersten Kilometer werden tadellos abgespult. Abschnitte, welche gestern noch zum Verhängnis wurden stellen heute schon kein Problem mehr dar. Der erste Schwimmer tritt erst im Lawinenschwall auf. Heute ist es Fiona, welche die Runde der unfreiwilligen Badegänge eröffnet. Ein lästiger Beinkrampf ist der Übeltäter. Mitten im Lawinenschwall nicht gerade das angenehmste. Eine kurze Pause später scheint das Bein nun friedlicher zu sein. Es geht weiter. Nächster Halt ist eine Wuchtwasserpassage zwischen Petrus und Wasserlochklamm. Martin nutzt die Chance zur Revanche. Heute kein Schwimmer. Stattdessen gibt es spektakuläre Aufnahmen wie sein Aufblaskajak zwischen weißen Wellenbergen in die Mangel genommen wird.

Moritz sucht ebenfalls seine Revanche. Fündig wird er in Form eines Schwimmers. Auch heute wird ein Felsen am Ausgang erneut zum Unfallgegner. Sein Boot fährt die nächsten 100 Meter allein weiter. Aber nicht nur Moritz kämpft. Auch Fiona gerät kurz oberhalb der langen Gasse erneut unter Wasser. Der Beinkrampf gibt sich noch nicht kampflos geschlagen. Fiona gibt nach und verstellt die Fußstütze. Problem erledigt. In Erzhalden wird dann bei ausgedehnter Pause und Beinfreiheit nochmal Kraft für die Schlucht gesammelt.

Beim Aufbruch gesellt sich dann noch eine ältere Paddeldame zu unserer Gruppe. Zu siebent geht es durch die Schlucht. Auch heute sind die hohen Wände und die tiefen Wellentäler kein Problem. Erst kurz vor Schluss macht sich fehlende Konzentration bemerkbar. Auf einer unscheinbaren Stelle kommt Moritz erneut in den Genuss einer kalten Dusche. Es dauert eine Weile bis wir sein Boot sicher am Ufer haben. Die steilen Felswände lassen zwar Kehrwässer zu, schaffen es aber nicht eine aufrecht schwimmende Granate in XL, die bis zur Oberkante mit Wasser gefüllt ist, zu halten. Trotz Gegendruck fährt das herrenlose Boot einfach von selbst wieder in die Hauptströmung zurück, und das gleich zweimal.

Der längeren Bootsbergung geschuldet nutzen Julian und Martin die Zeit zum Spielen und Üben. Als wir Moritz Boot endlich leer hatten, schwimmt Martin mit seinem Kajak in der Hand an uns vorbei. Diesmal darf Lorenz ran. Fiona und ich sind noch mit Moritz Boot beschäftigt. Nach dieser ausgedehnten Schwimmstunde sind wir dann auch gleich am Ausstieg. Die elendslangen Höhenmeter zum Parkplatz werden wieder so schweißtreibend, dass beinahe Neid auf die beiden Schwimmer von gerade eben aufkommt.

Zum krönenden Abschluss dieses, wettertechnisch höchst interessanten, Wochenendes geht es in die Kartoffelhütte. Lorenz und Moritz verabschieden sich frühzeitig, um schneller nach Hause zu kommen. Martin, Philipp, Fiona und Julian füllen noch vor Ort ihre Kohlehydratspeicher mit einer fast ungesunden großen Menge an Ofenkartoffeln auf, bevor sie die Heimreise antreten. Auf halbem Weg nach Gusswerk verdunkelt sich dann der Himmel. Es wird finster, kalt und es beginnt zu Regnen. Wenigstens zur Heimfahrt bekommen wir noch etwas vom gewohnt typischen Wildalpen-Wetter ab.

Euer Paddelclub Pernitz