Kältefreaks, Pegelstalker und Schneebrunzer
Erhebet euch! Seht nur, was für ein Traumwetter sich uns bietet. Nein, das ist kein Scherz. Ich meine das ernst. Seit dem Abpaddeln letzte Woche Samstag ist die Saison für wärmeverwöhnte Sonnenanbeter abrupt zu Ende gegangen. Stattdessen hat der Winter Einzug gehalten. Schon seit Beginn der Woche ist klar, dass man dieser Tage seine ersten Schwünge in den Hang wird setzen können. Der Beweis erfolgt bereits am Mittwochvormittag, am Unterberg.
Aber nicht nur Freunde der gepflegten Schneeverkostung kommen auf ihre Rechnung. Auch die Myralucke zeugt von der niederschlagsreichen Episode. Nicht oft kommt es vor, dass der Eingang durch knöcheltief austretende Wassermassen versperrt wird. Und die Myra ist mit dieser berauschenden Erscheinung nicht allein. Für krankhaft gestörte Pegeljäger wirken die angeschwollen Bäche wie Treibstoff für die brennende Sehnsucht nach einem kalten Wasserbad.
Ein wenig Wasser die Myra runter stehen beinahe 2 m3/s am Pegel Gutenstein zu Buche. 147cm! Zum Vergleich: Im Februar waren es bei löchriger Schneedecke noch 10cm weniger. Die Piesting bettelt geradezu danach befahren zu werden. Eine kleine Gruppe Paddler, bestehend aus Eva, Iris, Philipp, Fiona und Julian, folgen diesem Aufruf und trifft sich sonntagsfrüh um 10:00 beim Bootshaus. Die Hollinger Wehr ist ebenfalls gut gefüllt. Das Rauschen der überspülten Schleusen ist selbst hinter dem Bootshaus noch omnipräsent.
Während sich der rote Skoda, mit 5 Booten am Dach beladen, Richtung Blättertal bewegt, hält der vorgeheizte Holzofen im Bootshaus die Stellung. Im Blättertal angekommen, wird der Einstiegskatarakt begutachtet. Das Ergebnis der Bestandsaufnahme lautet: „Ausgezeichnet!“ So gut, dass man sogar von Gutenstein fahren könnte. Könnte? Sollte!? Getan! Die Fahrt geht weiter. Am Parkplatz der Kirche erregt unsere kurzfristige Planänderung reges Interesse bei den Teilnehmern der gerade zu Ende gehenden Sonntagsmesse.
Während Iris den löchernden Fragen der vorbeilaufenden Passanten hilflos ausgesetzt ist, flüchtet der Rest in seinen bunten Plastikbooten bereits Richtung Pernitz. Zwischen tiefen gemauerten Gräben bahnen sich die Paddler ihren Weg durch das Gutensteiner Ortszentrum. In regelmäßigen Abständen folgen kleinere Abfälle, die sich mit ruhigen Flachwasserpassagen abwechseln. Nach der Durchfahrt unter dem Schuhhaus nimmt die Fallhöhe der Abfälle zu. Katarakte mit Weißwasser inmitten von Gärten und Häuserwänden lassen die Mundwinkel nach oben wandern.
Kurz vor der Ortsausfahrt wird die Fahrt erstmalig unterbrochen. Zwei Baumstämme stellen ein bedenkliches Hindernis in der folgenden Steinstufe dar. Auch wenn eine Umfahrung problemlos möglich wäre beschließt Philipp ihre Beseitigung. Unter kritischer Beobachtung einer einheimischen Anrainerin werden die zwei oberschenkeldicken Holzreste im hüfttiefen Wuchtwasser unschädlich gemacht. Die Ideallinie ist nun wieder frei. Die Fahrt wird fortgesetzt. Nächster Halt ist die Wehr unterhalb der Bundesstraßenbrücke.
Leider ist die Staumauer für eine Befahrung nicht ausreichend genug überspült. Stattdessen wird die Wehr über die angrenzende Fischtreppe bewältigt. Eva, Fiona und Julian steigen aus und tragen ihr Boot. Philipp schiebt seinen Kendo stattdessen durch die felsigen Stufen. Auch hier werden wir wieder von den gefesselten Blicken eines Einheimischen beobachtet. Zum Ende der Vorstellung gibt es noch eine kurze Spielerei in einer starken Stromschnelle. Julian’s Kerzelübungen beweisen, dass er seinen nagelneuen Exo Rexy Party bereits hervorragend unter Kontrolle hat.
Die nächsten Meter präsentiert sich die Piesting zwischen farbenprächtigen Herbstblättern und tief stehender Sonne. Diese friedfertige Erscheinung wird erst bei der Wehr der ehemaligen Drahtstiftfabrik unterbrochen. Erneut ist Kreativität bei der Bewältigung gefragt. Die breite Staumauer ist fast gänzlich überdacht. Nur ein kleines Segment ganz auf der rechten Seite erlaubt eine Befahrung. Eva und Fiona steigen aus und bewältigen die Fallhöhe nach einer kurzen Gehstrecke über die gut gefüllte Fischtreppe. Julian nimmt unterdessen Anlauf auf die Staumauer. Nur mit Mühe springt sein Rexy über die wenig überspülte Kante. Der Bremser dreht sein Boot und lässt ihn seitlich über die Holzrutsche ins Wasserbecken klatschen. Philipp folgt. Er trifft die Holzrutsche geradlinig.
Auf dem kommenden Abschnitt wechselt das Erscheinungsbild der Piesting wieder zurück zum Image des Biedermeiertals entsprechend. Niemand würde hier eine Wildwasserstrecke vermuten. Doch bereits wenige Kehren weiter wartet der große Katarakt bei der Brücke ins Blättertal. Unter den Augen einer Schar zusehender Kinder fahren wir in die Schlüsselstelle ein. Trotz einer großen Menge Schwemmholz in der Felsenge, gestaltet sich die Durchfahrt einfacher denn je. Das viele Wasser schiebt einen sicher hindurch. Julian wird an einem versteckten Felsen zum Rollen gezwungen. Gut, auch das beherrscht er mit dem neuen Boot.
Am Ende wartet auch schon Iris auf uns. Zu fünft geht es nun auf der Standardstrecke durch die stark mäandrierende Auenlandschaft. Julian findet unterdessen eine Bierkiste. Wenig später sorgt die Bierkiste für den ersten Schwimmer des Tages. In einer engen Kurvenkombination ist nicht genug Platz für Julian, Iris und eine Bierkiste. Iris verliert das Gerangel und schwimmt. Die Bierkiste wird daraufhin zurückgelassen. Die letzten Kehren der Strecke bieten außer aufdringlichen Sträuchern und einem querliegenden Baum keine groben Hindernisse mehr. Die Klappsäge hat sich bezahlt gemacht.
Im Stausee angekommen ist das erste Ziel das vielversprechend vorgewärmte Bootshaus. Während Eva und Iris die Autos auspendeln, versucht sich Philipp noch an Kerzelübungen in Julian`s neuem Boot. Fiona friert unterdessen im Bootshaus. Die Wärme des gut gemeinten Vorheizens ist längst in der Entropie des Universums versackt. Bis Eva und Iris zurück sind brennt der Ofen aber bereits wieder. Vor der Heimfahrt wird sich noch mit Cola und Apfelkuchen gestärkt. Auf der Heimfahrt beobachten wir wie sich die Wassermassen auf der Piesting weiter talauswärts schieben. Hier würde sich eigentlich auch mal eine Fahrt lohnen. Das nächste Mal dann.
Euer Paddelclub Pernitz