Schwarza 2021

Halt, hier fehlt etwas!

Leere, gähnende Leere. Der Parkplatz der ehemaligen Singerin ist leer. Nein, nicht nur, weil aufgrund fehlgeschlagener Kommunikation nur halb so viele Paddler anwesend sind, wie eigentlich geplant. Irgendetwas geht mir ab. Aber was? Die Sonne? Nein. Ausnahmsweise macht der Frühling heute mal Pause. Dicke Wolken verdecken den Himmel. Der Schnee? Erstaunlicherweise auch nicht. Die Bäume an den Hängen um uns herum sind bis weit herunter weiß angezuckert. Muss wohl etwas mit den Wolken zu tun haben. Das Wasser! Naja, 148cm sind jetzt für Tauwetter im Februar doch eher unter der Erwartungshaltung. Aber nein, auch das stört kaum. Richtig. Die Singerin ist weg. Also das, was von der Singerin noch übrig war. Das ist jetzt ganz weg.

Wir fassen zusammen. Kein Sichtschutz mehr fürs Klogehen, keine Altpaddler, keine Sonne, kein Schnee, kaum Wasser. Hab ich was vergessen. Ach ja, Wind! Windig ist es auch. Eigentlich hatte ich Eva doch versprochen, diesen Bericht als möglichst unvergessliches Abenteuer darzustellen, sodass die Nichtanwesenden vor Neid platzen mögen. Wird wohl etwas schwierig mit dieser Einleitung. Habe ich erwähnt, dass es nur 4 Grad hatte? Lufttemperatur wohlgemerkt. Auf die Wassertemperatur dürft ihr selbst schließen. Na, schon neidisch?

„Typisches Paddelwetter“, eigentlich. Trotzdem wird es wohl niemanden verwundern, dass wir, Eva, Julian und Philipp, die Paddelstrecke heute etwas verkürzt antreten. Wir verlassen die Singerin wieder und stellen das Auto ein paar Kehren weiter unten auf einem markante Schotterparkplatz ab. Schon beim Boote abmontieren, kann man spüren wie sich die Kälte des Bodens trotz 2 Lagen Neoprens ihren Weg zu den Fußsohlen bahnt. Kaum zu glauben, dass mancherorts schon die ersten Palmkatzerl zu sehen sind. Bis wir alle im Boot sitzen ist mir kalt. Ein seltenes Gefühl, wo man doch gewohnt ist, schweißgebadet den anderen noch beim Spritzdecke schließen zu helfen. Immerhin, der Teil mit Spritzdecken trifft auch heute zu, auch wenn die Finger dafür schon fast zu kalt sind.

Der erste Weg führt flussaufwärts. Gegen die Strömung kann man sich gut aufwärmen. An einem markanten Felsbrocken teilt sich der Wasserlauf und wird zu stark, um weiter aufzusteigen. Stattdessen werden die dort vorherrschenden Kehrwasserlinien für ein paar Einschwingübungen genutzt. Allerdings nicht allzu beherzt, dafür ist im Augenblick noch niemandem warm genug. Vielleicht helfen ein paar scharfe Kehrwässer gegen die steifen Finger. Davon gibt es heute genug. Der Wasserstand bietet die ideale Mischung aus „gerade-tief-genug“-em Flussbett und „noch nicht überspült“-en Felsen. Langsam sammelt sich etwas Wärme in der Paddeljacke.

Ein paar Kehren weiter flussabwärts bietet sich der Kamera ein letzter Imposante Blick zurück. Ein kurzes Wolkenloch versetzt die noch schlafende Vegetation an den verschneiten Hängen des Schneebergs in einen scharfen Kontrast zwischen Frühling und Winter. Ab jetzt genießt sie nur mehr ein Nebendasein. Die fortschreitende Bewegungsunfähigkeit der Finger erschwert ihre Bedienung ungemein. Bis zu uns ins Wasser herunter schaffen es die Sonnenstahlen nicht. Und desto tiefer wir ins Tal vordringen umso mehr schrumpfen unsere Chancen auf etwas Wärmestrahlung. Immerhin blockieren die steilen Felswände nicht nur die Sonne, sondern auch den Wind.

Im Schutz der wachsenden Felswände nähern wir uns der Freiheit. Durch wiederholtes Einpacken der Hände zwischen Paddeljacke und Schwimmweste steigt die Temperatur der Blutgefäße in den Fingern wieder an. Mit der neu gewonnenen Bewegungsfreiheit der Hände kommt nun auch die Lust am Planschen zurück. Unter beinahe vollständigem Ausschluss der restlichen Menschheit drehen wir im einsamen Höllental ein paar Pirouetten zwischen den scharfen Kehrwasserlinien der nahenden Schlüsselstelle. Teils lotrecht zum Horizont, teils aber auch parallel dazu. Mir ist es für zweiteres zu kalt. Julian rollt deshalb gleich zweimal. Einmal für mich und einmal für sich selbst.

Vor der Durchfahrt, der wohl einfallreichsten Kreativitätsleistung aller Paddler, die sich je bei der Namensgebung von Schlüsselstellen einbringen durften, steigen wir kurz aus und vergewissern uns, dass das erst kürzliche Hochwasser keine zusätzlichen Tücken eingebaut hat. Glücklicherweise nicht. Die Durchfahrt ist frei. Schäumende Kronen und lautes Rauschen ist alles was zwischen uns und dem Weichtalhaus steht. Die prasselnden Wassersäulen auf der Spritzdecke lassen erneut die Freude über das Kälteempfinden hinwegtriumphieren. Beflügelt und benässt von den Stromschnellen der Freiheit pflügen wir uns weiter Richtung Hochsteg.

Unter einer inzwischen immer stärker zerfetzen Wolkendecke folgen kurze Spielerein vor angezuckerten Steilabfällen. Nach der Hochstegbrücke weitet sich das Tal wieder und ein altbekannter Begleiter findet seinen Weg zurück zu uns. Bis der Wind seine fingerstockende Wirkung allerdings entfalten kann sind wir längst am Ausstieg in Kaiserbrunn angelandet. Unter herrlichem, blauem Himmel verladen wir die Boote wieder auf die Autodächer. Rein optisch hätte man durchaus Lust bekommen das in kurzer Hose zu tun. Der Eindruck täuscht jedoch und man fragt sich insgeheim, warum man nicht doch die dickeren Handschuhe eingepackt hat.

Angesichts des Datums würde ich mir diese Frage eigentlich gerne am Berg stellen, und nicht im Bach. Mal sehen, ob der Winter bei uns nochmal zuschlägt. Denn, so sehnlichst wie man sich die neue Paddelsaison auch herbeiruft. Februar ist nun mal Winter und Paddeln nicht unbedingt ein Wintersport. Bis zur nächsten Ausfahrt.

Euer Paddelclub Pernitz