Preinbach 2021

Achtung, Baum!

Wir schreiben den ersten April. Vorsommerliche Temperaturen und ein eine starke Frühlingssonne haben die verbleibenden Schneeresten bereits ordentlich ins Schwitzen gebracht. Allerdings nicht mehr allzu lange. Ein Wintereinbruch kündigt sich an. Und bevor der April morgen seinem Ruf alle Ehre macht, nutzen wir den Gründonnerstag, um mit dem letzten Schwall Schmelzwasser eine Unternehmung der besonderen Art anzugehen. Den Preinbach! Wenn man es genau nimmt, dann sind es eigentlich Preinbach, Nassbach und Schwarza. Zumindest wenn das Auto in Kaiserbrunn parkt, was es tut. Damit muss man zwangsläufig durch alle 3 hindurch. Also, Spannung garantiert, Chaos vorprogrammiert. Wer kommt aller mit?

Trotz der vielversprechenden Unternehmung, und zeitgerechter Ankündigung in der Paddelgruppe, sind wir heute dennoch nur zu fünft. Erneut sind es Eva, Lorenz, Philipp, Fiona und Julian die sich der Herausforderung stellen. Bei fast sommerlichen Temperaturen von knapp unter 20 Grad am Parkplatz der ehemaligen Singerin, nehmen wir den Pegel des Nassbachs kritisch unter die Lupe. Laut Aussage eines Ex-Experten bedarf es am Pegel Nassbach einen Mindesthöhe von 160cm. Ihr könnt auch meine innerliche Freude vorstellen, als das senkrecht ins Flussbett montierte Lineal bis zur 170cm-Marke unter Wasser stand.

Bei der restlichen Truppe war noch ein bisschen Überzeugungsarbeit zu leisten. Restlose Begeisterung sieht definitiv anders aus. Na gut, dann sehen wir uns Nassbach und Preinbach noch von weiter oben an. Nach einem kurzen Blick in die untere Nassbachschlucht und auf die Überreste zweier desolater Wehranlagen folgen wir Eva über eine Holzbrücke und vorbei an einem Fahrverbotsschild auf einem Schotterweg ins Preintal hinein. Wir stellen die Autos ab und wandern ein paar Minuten bergauf, um uns einen Eindruck von Wasserstand und Verbaumung zu machen. Bäume? Check! Wasserstand? Ehhhh.

Erneut sehe ich in den Augen meiner Mitpaddler nicht dasselbe Maß an unbeschwerter Ekstase wie ich es mir erwartet habe. Ich versuche mir den Wasserstand meiner letzten Preinbachbefahrung mit Manfred und Sigi in Erinnerung zu rufen. Das war Jahre her. Ich meine mich zu erinnern, dass Manfred ebenfalls Skepsis bezüglich des Wasserstands äußerte und dass er ziemlich oft stecken blieb. Und dass er an einem Baum einen unfreiwilligen Ausstieg hinlegen musste. Und, dass es, obwohl es saukalt war, ein unvergessliches Erlebnis war. Nach kurzer Überlegung gelange ich zu der unqualifizierten Behauptung, dass wir letztes Mal auch nicht mehr Wasser hatten.

Das reichte offenbar aus, um die anderen davon zu überzeugen, sich zumindest noch den Einstieg des Preinbachs anzusehen. Also, zurück ins Auto und zwei Täler weiter. Vorbei an liebeshungrigen Kröten erreichen wir die Bundesstraßenbrücke über den Preinbach. Schon beim Öffnen der Autotür sorgt das laute Rauschen des Abfalls unter der Brücke für Erleichterung. Das klingt wesentlich lauter als letztes Mal. Ein Blick von der Brücke hinunter zeigt zwar auch nicht mehr Wasser als unten, jedoch sieht es hier aufgrund des engeren Flussbetts und der Verblockung weitaus attraktiver aus als noch am Ausgang der Schlucht.

Ich würde ihn fahren. Wasser kann nur mehr werden. Mit Hinweis auf die hoffentlich noch einsetzende Schneeschmelze ließ sich dann auch der Rest der Gruppe vollends überzeugen. Wahrscheinlicher ist aber, dass nach fast über einer Stunde Besichtigung niemand mehr Lust hatte, nochmal irgendwo anders mit dem Auto hinzufahren. Einbooten! Philipp ist der Einzige, der die Fahrt oberhalb der Abrisskante der Bundestraße beginnt. Eva, Lorenz, Fiona und Julian lassen diese grenzdebile Variation aus. Kurze Zeit später wandert die bunte Plastikkarawane bachabwärts.

Aus der Ferne betrachtet hätte man uns trotz der bunten Farben wohl eher gehört als gesehen. Gleich nach den ersten 100 Metern bleibt das Gefälle sehr lange konstant, sodass von der ersten Brückenquerung bis zum ersten flachen Dümpel viel Steinkontakt vergeht. Das Schergeräusch zwischen Bootsrumpf und Flussbett sorgt bei unwissenden Wanderern vermutlich noch Kehren vor und nach uns für Verwirrung. Das Wasser spielt hier eher eine begleitende Rolle. Ein wenig später folgen die ersten Kurven. Es wechseln kleinere Rutschen mit tieferen Becken ab. Erste Kehrwässer und Dümpel sind erkennbar. Nun beginnt der Preinbach seine schöne Seite zu zeigen.

Und kaum fängt man an, diese zu genießen, schreit der eigene Bruder schon um Hilfe als er in einem Konglomerat aus Bäumen und Ästen feststeckt, welcher auf der einen Seite vom Ufer und auf der anderen Seite von Eva begrenz wird, die aufgrund der seichten Wassertiefe aufsitzt. So schnell hätte ich mir die erste Rettungsaktion nicht erwartet. Knietief im kalten Wasser ziehe ich das liebe Bruderherz wieder flussaufwärts, um bei der Gelegenheit gleich die Klappsäge zum Einsatz zu bringen. Eva kann auch weiterschippern. Kaum zwei Kehren später heißt es wieder raus aus dem Boot. Diesmal für alle. An diesem Baum brauche ich die Klappsäge erst gar nicht ansetzen.

Es folgt eine kurze, aber spritzige Schwallstrecke, die im unteren Teil in immer größer werdenden Dümpel mündet. Am Ende wartet erneut, ein Baum. Zu dritt heben Lorenz, Philipp und Julian diesen ans Ufer. Es geht weiter. Bis zum nächsten Baum. Kurz vor ein paar harmlosen Stromschnellen liegt er fast deckungsgleich mit der Wasseroberfläche. Lorenz und Julian kommen mit Schwung darüber. Eva bleibt vor dem Scheitelpunkt hängen und gerät seitlich mit ihrem Boot unter den Baum, den Körper bereits flussaufwärts neigend. Wir laufen. Julian steigt daneben und geht im knöcheltiefen Wasser baden. Er lacht. Philipp erreicht Eva gerade noch rechtzeitig und zieht sie über den Baum hinweg. Fiona nimmt diesen Service ebenfalls in Anspruch.

Wenig später heißt es wieder: „Alle aussteigen!“ Ein Bieberdamm liegt im Weg. Erneut muss großräumig ausgewichen werden. Wer glaubt ich zähle hier alle Bäume chronologisch der Reihe nach auf, der irrt. Wir sind noch nicht mal bei der Hälfte agekommen und ich habe bereits etliche ausgelassen. Der Raxkönig wusste schon genau, warum er seine Schwemmroute über den Preinbach führt. Er füllt sich von selbst mit Holz. Seinerzeit müsste es fast spielerisch gewesen sein hier hinunterzufahren, wo doch alles abgeholzt war. Immerhin können wir nun aus erster Hand erleben, wie sich die Bäume damals bei der Trift gefühlt haben müssen. Sobald das Flussbett nämlich nur etwas an Breite gewinnt, lassen die zahlreichen Steinkontakte eher Erinnerungen an die letzte Autodrome-Fahrt wach werden.

Viel länger kommt man ohne Unterbrechung auch nicht voran ohne wieder einen Baum umtragen, zersägen oder jemanden darunter wieder hervorzufischen zu müssen. Immerhin passieren wir die Stelle wo Manfred zuletzt seine Schwimmkünste unter Beweis stellen musste ohne Vorkommnisse. Klar eigentlich. Den besagten Baum haben wir dort schon vor Jahren mühsam entfernt. Endlich nähern wir uns der Schlucht. Die erste Schlüsselstelle ist eine schmal abfallende Durchfahrt zwischen einer senkrechten Felswand und großen Felsblöcken. An sich eher nur gruselig als schwierig, wenn man nicht gerade blöd einen Stein trifft und sein Boot in der Mitte verkeilt. Ich weiß, wovon ich rede.

Heute läuft alles reibungslos ab. Lediglich Lorenz schafft es als letzter die gerade mit Fotografieren beschäftigte Eva, mit anschaulicher Demonstration der Impulserhaltung, aus dem Kehrwasser zu rammen und sie verkehrt die letzten Abfälle in die anschließende Schlucht zu schieben. Nur unter reflexartigem Einsatz entkommt Eva einer kalten Dusche. Nach der kurzen Anfangsschlucht weitet sich der Bach auf einem breiten Schotterbett wieder, bevor er erneut zwischen steilen Felswänden in die Mangel genommen wird. Auch hier halten sich die Schwierigkeiten in Grenzen. Erneut kommt es zu teils kreativen Linienführungen aufgrund von Baumhindernissen. Dann kommt die eigentliche Schlüsselstelle.

Eingekesselt von steilen Felsflanken links und rechts tut sich vor uns ein uneinsichtiger Katarakt auf. Auf einer Länge von etwa 200 Metern gilt es eine Kombination aus Steinslalom, kleinen Abfällen und Baumhindernissen zu meistern, um den Ausgang der Schlucht zu erreichen. Als Paddler mit der noch frischesten Erinnerung an diese Stelle verlasse ich mein Boot und stapfe teils hüfttief durch die Becken bis ans untere Ende. Unterwegs beseitige ich ein paar Baumstämme und platziere mich auf einem markanten Felsen wo sich die Linie in eine leichte und eine „besser nicht, weil vermutlich muss ich dich dann retten“ Variante teilt. Dann gebe ich das Zeichen.

Zu meinem Erstaunen fährt Julian als Erster. Im oberen Teil wählt er die weitläufige rechte Linie und stößt erst in der Mitte nach links ins Hauptwasser zurück. Der Abfall gelingt, wenn auch nicht grandios, und er kann sich rechtzeitig platzieren, um vor meinen Füßen nach rechts auf der sicheren Linie die Schlucht zu verlassen. Lorenz wählt oben die etwas direktere Route und gelangt bereits etwas früher in das schnellere Schwallwasser neben der linken Felswand. Nach dem Abfall sitzt er kurz auf einem Felsen auf, was ihm genug Zeit verschafft sein Boot ebenfalls rechts von mir vorbeizudrücken. Fiona tut es Julian gleich, muss aber nach dem Abfall einen starken Paddelschlag gegen die Felswand setzen, um mit der schwerfälligeren Vereinstussi noch rechtzeitig den richtigen Ausgang zu erwischen.

Mal sehen wie sich die Edeltussi durch den Katarakt schleusen lässt. Oben wählt Eva die etwas wasserärmere linke Route, womit sie direkt von oben in die eigentliche Line einfahren kann. Der Abfall gelingt tadellos, womit der Curve allerdings zu viel Schwung aufnimmt, als dass sie ihn noch rechtzeitig von der Felswand lösen kann. Anstatt der leichten Variante rechts fährt Eva in einen schmalen Schlitz an der linken Seite der Felsschlucht. Meiner Ansicht nach zu schmal als dass man ohne Stecker hindurch kommt. Eva belehrt mich aber eines Besseren. Leicht geneigt ist der Curve schmal genug, um die stark umströmte Kurve zu durchfahren. Noch bevor ich die Kamera wieder in der Hand halte, liegt Eva im Kehrwasser hinter der Schlucht. Schwitz! Respekt!

Ich übernehme das Schlusslicht. Lorenz sichert. Ich folge oben der weiten Strecke nach rechts und reihe mich erst kurz vor dem Abfall in die linke Hautströmung ein. Der Abfall geling…. nicht! Nein, er gelingt nicht. Die bullige Nase meines Saltos schafft es direkt am Ende des Abfalls einen unscheinbaren Baumstamm genau so mittig zu treffen, dass mein Boot mit der Spitze unten und mit dem Heck oben im Wasser steckt. Hier bitte ein beliebiges Schimpfwort einfügen. Ich versuche mich zu lösen bemerke aber, dass ich dabei seitlich unter den Wasserschwall kommen würde und mich vermutlich nur nass oder getrennt vom Boot aus dieser Lage befreien könnte. Lorenz springt ein und zieht meine Nase wieder in die Strömung. Der Rechtsknick in den leichten Ausgang gelingt und wir können die Schlucht verlassen. Lief ja gar nicht so schlecht. Danke Lorenz.

Am Ausgang dann die nächste Unterbrechung. Na? Richtig, ein Baum. Ohnehin schon bis zur Hüfte durchnässt steige ich aus. Aber halt, wo ist die Säge? Oh, ach ja. Die liegt noch in der Schlucht. Hier bitte noch ein beliebiges Schimpfwort einfügen. Also dann doch Ausbooten. Julian wird samt Boot über die Äste geschmissen. Er ist noch biegsam und wir brauchten mehr Platz. Es folgt ein letzter kurzer schmaler Felsdurchbruch, bevor sich der Preinbach endgültig geschlagen gibt. Bis zur Mündung in den Nassbach sind es nur mehr wenige, meist harmlose Gefällebremsen.

Kurz vor der Mündung bekommen wir Geleitschutz. Eine einzelne Kröte treibt zwischen unseren Booten. Wir scheinen dasselbe Ziel zu haben, den Nassbach. Oder doch nicht? Unmittelbar vor der letzten Walze erreicht sie fast das Ufer. Leider nur fast. Im Strudel des eiskalten Wassers verlieren wir Augenkontakt. Erst im Nassbach taucht sie wieder auf. Hilfsbereit wie Paddler nun mal zu einem schwimmenden Flussbegleiter gegenüber sind, biete ich ihr einen Platz auf meinem Paddelblatt an. Als ich sie behutsam Richtung Ufer katapultieren will, ja, behutsam katapultieren, wähle ich einen zu flachen Anstellwinkel. Statt gerettet am Ufer aufzuschlagen, vollzieht sie stattdessen einen dreifachen Salto mit Schraube und geht im nachfolgenden Blockwurfwehr verloren. Diesmal für immer. Immerhin ein eleganter Abgang.

Aber nicht nur die Kröte geht im besagten Blockwurfwehr baden. Als ich im Kehrwasser vor dem Wehr nach unten blicke sehe ich nur mehr wie Julian einer Linie hinterherjagt an dessen Ausgang nur mehr zwei verkehrte Bootsrümpfe aus dem Wasser ragen. Den genauen Unfallhergang kann ich nur aus Augenzeugenberichten rekonstruieren. Die Kurzfassung lautet: Eva triff Stein. Stein kentert Eva. Lorenz trifft Eva. Lorenz kentert an Eva. Eva steigt aus. Loren dreht auf. Und dann schieße auch ich schon vorbei und jage gemeinsam mit Fiona Eva’s Boot hinterher. Wenige hundert Meter später haben wir es am Ufer festgemacht.

Die Strapazen der Reise lassen sich inzwischen kaum noch verbergen. Nach dem Ausgang der unteren Nassbachklamm und der Überwindung der letzten Wehranlagen beschließen Eva und Fiona die Fahrt an der ehemaligen Singerin zu beenden. Lorenz, Philipp und Julian unternehmen hingegen einen Speed-Run nach Kaiserbrunn, wo das Auto steht. Die Schwarza, die krönende Nummer 3 des heutigen Paddeltages, wird somit eher zum Kraftausdauertraining als zur Erlebnisfahrt. Freiheit und Hochsteg bieten bei diesem Wasserstand außerordentliche Highlights gehen aber in den Erlebnissen der zwei vorausgegangenen Bäche unter.

Am Ausstieg angekommen, sind die vergangenen 5 Stunden nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Beim Ausbooten und Umziehen machen sich bereits erste Ermüdungserscheinungen und schwere Gliedmaßen bemerkbar. Die Sonne steht für Anfang April auch schon sehr tief. Fiona und Eva mussten schon ein gutes Stück den Nassbach hinauf wandern um nach 18:00 noch ein Stück Sonne zu erhaschen. Abschließend bleibt eine außergewöhnliche Bootstour, die vermutlich noch länger nach ihresgleichen suchen wird. Gleichzeitig verstehe ich nun auch, warum sich Sigi und Manfred damals einig waren, erst wieder in 3 Jahren an den Preinbach zurückzukehren. Wann genau die nächste Rückkehr stattfindet, wird sich erst zeigen. Bis dahin müsst ihr euch mit der nachfolgenden Fotostrecke begnügen.

Euer Paddelclub Pernitz