Tag 1: Das Salzburger Schwimmfest
Pünktlich zum verlängerten Wochenende unternimmt der Salzburger Kajak Club, SKC, eine mehrtägige Ausfahrt nach Osttirol. Aufgrund glücklicher Umstände hat der Paddelclub Pernitz über ein Mitglied nicht nur hervorragend Kontakte zum SKC, sondern auch einen guten Draht zum Inhaber des zur Verfügung gestellten Basecamps in Matrei. Unter diesen Voraussetzungen durfte sich der Autor dieser Zeilen erneut als Gastmitglied in das bunte Treiben des SKC miteinmischen, um nun von den Befahrungen und Missgeschicken unserer westlichen Verwandten zu berichten. Vorweg gleichmal ein großes Dankeschön an Lorenz und alle Anwesenden des SKC, fürs erneute Adoptieren. Dankeschön!
Die Mehrtagestor beginnt bereits am Donnerstag um 11:00 in Gmünd in Kärnten. Unter der Autobahnbrücke erwartet mich bei der Ankunft bereits eine bunte Karawane aus Booten und Campingbussen. Ein paar neue Gesichter sind dabei. Die Mehrheit kommt mir aber bereits bekannt vor. Auch bei den Booten kommen mir bereits einige bekannt vor. Auffallend ist die überwiegende Anzahl an großen Booten. Nur 3 Ripper liegen vor mir. Bei deren Besitzern weiß ich aber, dass sie paddeltechnisch in einer anderen Liga unterwegs sind. Ich schließe mich der Mehrheit an und nehme meinen Salto vom Dach.
Aufgrund der hohen Anzahl an Teilnehmern beschließen wir uns der Lieser in zwei separaten 5er Gruppen zu begegnen. Ich halte mich an die Gruppe mit Lorenz. Seinem Outfit bin ich es schon gewohnt zu folgen. Als Neuling auf diesem Bach reihe ich mich als Letzter ein. Schon der erste Kilometer bietet Wuchtwasser wie wir es in unserem üblichen Jagdrevier nur nach starken Regenfällen vorfinden. Der Pegel ist aber auch gut eingeschenkt. Es liegen 182cm am Pegel Gmünd zu Buche. Als wir auf die erste markante Felsplatte treffen bin ich froh über die Anzahl an fähigen Flusskennern vor mir. Die Linie auf der linken Seite gelingt und gemeinsam warten wir auf die zweite Gruppe.
In diesem Rhythmus geht es weiter. Stromschnelle um Stromschnelle arbeiten wir uns die immer höher werdenden Wellen flussabwärts. Die weiter oben noch vermehrt aufgetretenen verblockten Passagen weichen nun den reinen Wuchtwasserpassagen, die nur kurz durch zahmere Stellen unterbrochen werden. Sobald sich irgendwo ein größeres Kehrwasser erstreckt, wird auf das nachfolgende Quintett zusammengewartet. Mit einem Uhrvertrauen in die Flusskentnisse der Alteingesessenen folge ich meinen Vorfahrern flussabwärts. Bis zu einem unscheinbaren Abfall nicht unweit oberhalb einer Straßenbrücke.
Die Abrisskante lässt keine gröberen Überraschungen dahinter vermuten. Der Auslauf sieht klar aus, die Strecke dahinter vergleichsweise sanft. Mittig zieht die Karawane vor mir auf den Abfall zu. Dürfte wohl nicht so tragisch sein. Der erste Vorfahrer verschwindet hinter der Kante. Als das zweite Boot über die Kante rutscht, schießt der erste plötzlich nach oben. Das sah eher ungewollt aus. Auch beim zweiten Vorfahrer macht das Ganze mehr einen chaotischen Eindruck. Die Einsicht in den Abfall ist leider noch versperrt. Keine Ahnung was da lauert. Lorenz schert bereits nach links aus. Währenddessen wird Moritz als Dritter bereits verkehrt aus der Walze gespuckt. Jetzt nehme auch ich reiß aus.
Lorenz übermäßige Flucht nach links erwies sich als Fehler. Er dreht sich, verliert an Fahrt und gerät verkehrt in den Abfall. Ich, auf meiner Linie etwas weiter rechts, ziehe seitlich an ihm vorbei. Ich wende meinen Blick vom Vordermann ab und richte ihn auf das was sich nun vor meinen Bootsrumpf auftürmt. Eine seitliche Walze, die rechts zu einem V zusammenläuft, liegt quer über den gesamten Abfall. Luft holen und durch. Stark nach links aufgekantet sticht der Bug ins Wasserchaos. Von hinten schiebt das Boot mit genügend Geschwindigkeit nach und drückt die Spitze zurück ins Freie. Ich spüre wie das Boot sich hebt.
Für kurze Zeit sehe ich nur Weißwasserfetzen. Dann etwas Blaues. Etwas Großes. Dann spüre ich einen Schlag ins Gesicht. Ein großer blauer Bootsrumpf trifft mich links am Kinnbügel. Es ist Lorenz! Im nächsten Moment liege ich unter Wasser. Gefangen zwischen mir und meinem Paddel hängt Lorenz samt Boot und hindert mich daran eine Rolle anzusetzen. Um meine innige Umarmung von seinem Boot zu lösen, öffne ich die Hand. Das Paddel schwingt weg, Lorenz ist frei. In der rauschenden Unterwasserschlacht finde ich den Griff zurück aufs Paddel nicht mehr. Stattdessen greift die Hand gezwungenermaßen zur Spritzdecke.
Ich schwimme. Paddel in der einen Hand, Boot in der anderen, rutsche ich über eine seichte Felsplatte weiter nach unten in ein Kehrwasser. Das Boot zerrt flussabwärts, während das kreiselnde Kehrwasser nach unten drückt. Jetzt brauche ich beide Hände am Paddel. Adieu Boot! Die Bergung überlasse ich den verbleibenden Paddlern. Zweihändig arbeite ich mich ohne Boot ans felsige Ufer. Dort angekommen sitzt Moritz, sein Boot fest in der Hand. Ihn hat es ein Stück weiter unten in einer weiteren Walze zerbröselt. Aber nicht nur ihn. Die zweite 5er-Gruppe veranstaltet kein minder ausgelassenes Schwimmfest.
Am Ende der Badeaktion haben von 10 Fahrern zumindest 9 die Rolle entweder zur Gänze oder nur halb absolviert. Lediglich ein Paddler erspart sich den Anblick der Lieser Unterwasserwelt. Lukas kommentiert die ausgedehnte Schwimmstunde trocken: „Da werden wir wohl ein ernstes Wort miteinander reden müssen.“ Zugegeben, wären wir mit einer etwas weniger kuscheligen Aufstellung in besagte Stelle eingefahren, hätte sich die Chance einer erfolgreichen Durchfahrt bei einigen Teilnehmern sicher signifikant erhöht. Schlauer und weniger gedrängt setzten wir die Fahrt fort. Bei der gleich anschließenden Engstelle gibt es keine Probleme. Den obligatorischen Schwimmer hat ja ohnehin schon so gut wie jeder hinter sich gebracht.
Lediglich einmal müssen wir noch etwas länger auf die bessere Hälfte warten, vermutlich aufgrund einer weiteren Bootsrettungsaktion. Ansonsten geht es flott flussabwärts. Etwa auf Hälfte der Fahrt gräbt sich die Lieser tiefer in das Tal und wird nun abwechselnd zwischen natürlichen Felswänden und der künstlichen Straßenbefestigung eingezwängt. Die Wuchtwasserpassagen bleiben, werden aber wieder vermehrt durch einzelne leicht verblockte Stellen und Prallwände ergänzt. Unterhalb der Autobahnbrücke lauert am Ende einer felsigen Rechtskurve nochmal ein fieses Loch. Diesmal erwischt es Steffi.
Sie und ihr Boot treten die Weiterfahrt getrennt an. Aufgrund der fehlenden vorderen Auftriebskörper scheitert der erste Bergungsversuch. Erst beim zweiten Mal gelingt die Rettung. Die nun noch folgenden Kilometer gestalten sich vergleichsweise sanft. Das Tal weitet sich und das Bachbett wird wieder breiter. Die Fahrt wird steiniger aber weniger wuchtig. Kurz bevor die Lieser erneut an Stärke gewinnt, beenden wir die Fahrt. Lediglich die üblichen Verdächtigen lassen sich den abschließenden Adrenlinschub auf der durchlöcherten Lieserschlucht nicht entgehen. Etwa einen Kilometer weiter unten ist dann aber auch für sie Schluss.
Nach einer kurzen gemeinsamen Trinkpause am Ausstieg zerstreuen sich die Anwesenden wieder und treten die Weiterfahrt nach Matrei an. Boote und Ausrüstung werden bunt durcheinandergemischt im oder am nächstgelegenen Fahrzeug montiert. Es haben ohnehin alle dasselbe Ziel. Im Basecamp angekommen, bleibt gerade noch genügend Zeit, um die nassen Neoprensachen aufzuhängen, bevor es ins nächstgelegene Gasthaus geht. Den Kenterliter zahlt heute jeder für sich. Bei so vielen Schwimmern bleibt keiner dem anderen etwas schuldig. Morgen läuft das hoffentlich anders. Bis dahin!
Euer Paddelclub Pernitz