Sattelbach 2021

Dem Hochwasser sei Dank!

Endlich! Ich weiß, anderorts mag dieser Titel taktlos erscheinen, aber nicht hier. Am östlichsten Alpenrand herrscht seit Wochen ein eklatantes Niederschlagsdefizit, welches sich in Form von mangelnden Paddelausfahrten widerspiegelt. Liebgewonnene Flussstrecken, wie die obere Leitha, die Pitten oder die Schwechat warten nur darauf von einem üppigen Regenfall gefüllt zu werden. Und dieses Wochenende war es endlich so weit. Nach tagelangen abrupten Stimmungswechseln, ausgelöst durch die sich ständig verändernden Niederschlagsvorhersagen, sollten meine Erwartungen nun endlich erfüllt werden.

Bereits am Samstagvormittag sorgten heftige Regengüsse für die ersten brauchbaren Pegel seit Langem. Aufgrund der Unverfügbarkeit von Paddelkollegen saß ich aber gezwungenermaßen zu Hause fest und musste mich auf Sonntag vertrösten. Fingernägelkauend musste ich beobachten, wie sich auf unseren Stammstrecken Anzeichen eines exponentiellen Anstiegs abzeichneten. Die Nacht zog erneut heftige Gewittergüsse nach sich und sorgte neben Fionas Schaflosigkeit für Pegel jenseits von Gut und Böse. 3 Meter und mehr in der Steiermark, 2 Meter und mehr im Höllental. Wahnsinn! Die Schwechat hingegen war leider schon wieder unter das fahrbare Mindestmaß gefallen. Trotzdem, meine Vorfreude war nicht kleinzukriegen.

Dachte ich zumindest. Als ich auf die freudigen Nachrichten und Angebote der lieben Paddelkollegen warte, läuft mir mental bereits das Wasser unterm Boot davon. Kann nicht, bin krank, keine Zeit oder schlichtweg Funkstille. Wozu bin ich eigentlich in 2 Paddelgruppen, wenn erst niemand paddeln geht? Draußen bot sich uns gerade die wahrscheinlich beste Wasserlage des gesamten Sommers und ich drohte sie auf dem Trockenen zu verbüßen. Das Ticken des Uhrzeigers arbeitete sich wie eine Säge durch meinen Geduldsfaden. Wäre ja nicht so, als ob ich das nicht schon letzte Woche angekündigt hätte.

Gegen 10:00 ereilt mich ein Anruf von Eva. Nach einer durchwachsenen Nacht mit vorsorglicher Vorbereitung auf ein Hochwasserereignis am Haus ihrer Schwester, steht ihr nun der Sinn nach Paddeln. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Auf Eva ist Verlass! Die Schwarza hätte noch immer einen ausgezeichneten Pegel. Die Piesting ebenfalls. Aber nein! Eva hat sich so sehr an der Idee der Schwechat verbissen, dass eine Alternative ausgeschlossen erscheint. Der Pegel ist mager, sehr mager. Auf die Mindestwassermenge fehlen bereits 20cm. Dennoch, egal! Es ist Eva. Die macht alles mit. Und ich muss raus!

Als ich meine desolate Lunchbox samt Kajak entlang des Sattelbachs Richtung Cholerakapelle trete entgeht mir nicht, welch braune Wassermassen sich auch hier flussabwärts wälzen. Bei der Cholerakapelle angekommen treffe ich auf Eva. Der Wasserstand wirkt nicht berauschend, aber dennoch ausreichend. Wir satteln die Boote um und fahren flussaufwärts. Im Ortsgebiet von Sattelbach unternehmen wir einen kurzen Abstecher. Wir fahren bis zur ersten großen Straßenbrücke und riskieren einen flüchtigen Blick in den Sattelbach.

Trotz tiefbrauner Farbe, hinter welcher sich der Grund des Bachbetts versteckt, lassen sich bereits die Steine unter der Wasseroberfläche erahnen. Hinzu kommt jede Menge Vegetation, die entweder weit in den Bach hineinreicht oder gar gänzlich darin zu wohnen scheint. Und als ob das nicht schon genug wäre beträgt die Gesamtbreite des Bachs gerade mal nur eine Kajaklänge. Es ist eine Idee, nichts weiter. Wir verlassen den Sattelbach wieder und fahren nach Alland noch unwissend, dass wir an eben dieser Stelle unseren heutigen Einstieg wagen werden, da die obere Schwechat bereits weit unter einer befahrbaren Mindestwassermenge liegt. Die Idee der Sattelbachbefahrung ist Realität geworden.

Und tatsächlich. Nach einer sanften Wiesenrutsche und der Überwindung der ersten Steinstufe liegt das Boot ohne Bodenkontakt im Wasser. Ja sogar beinahe das gesamte Paddelblatt hat unter Wasser Platz. Eva tut sich aufgrund mehr Tiefgang etwas schwerer, aber auch sie schafft es schließlich zwischen Weidenzaun und Blockstufe hindurch. Und so beginnt die Erstbefahrung. Die ersten Meter entlang einer Kuhweide sind abwechselnd links und rechts von tiefen Bäumen verlegt und erfordern eine zielgenau Routenwahl zwischen Aufsitzen auf Grund und Feststecken im Gestrüpp.

Etwas später verlassen wir die Kuhweide und der Bach gräbt sich ein wenig tiefer. Die Bäume hängen nun höher und erleichtern die Durchfahrt etwas. Dafür nimmt die Anzahl an verbocktem Totholz zu. Gleich das erste Hindernis fordert Limbokünste vom Feinsten, die Eva nicht vorweisen kann. Gerade als sie den Baumstamm durchtaucht hatte, verliert sie das Gleichgewicht und schwimmt. Nur wenige Meter nach erfolgreichem Wiedereinbooten lauert schon das nächste Hindernis. Diesmal genügt jedoch die Entnahme einiger ausgewählter Äste, um die Ideallinie fahrbar zu machen. Diesmal gelingt die Durchfahrt ohne Zwischenfall.

Danach bessert sich der Verlauf. Die Bäume werden höher und der Wasserstand profitiert nun vom schmalen Bachbett der steilen Ufer. Ungeahnt schnell kommen wir vorwärts. Das Ende des Walds wird von einer Brücke markiert, die aufgrund eines Mittelstehers nur zwei schmale Durchfahrten ermöglicht. Dahinter werden die Ufer wieder flacher und stärker von Wiesen und Strauchbewuchs bevölkert. Nun fordert der Sattelbach erneut slalomartige Kurswechsel, um zwischen der tiefhängenden Vegetation hindurchzustoßen. Wenig später kündigt die Brücke der Helenentalstraße das Ende des Sattelbachs an.

Über zwei kleine Steinstufen geht es unter der Brücke hindurch eher sich der Sattelbach ein letztes Mal zwischen hochgewachsenen Grasbüscheln verengt. Am Ausgang der Engstelle weitet sich der Sattelbach wieder auf die übliche Kajaklänge und mündet kurze Zeit später relativ unspektakulär in die Schwechat. Gerade einmal eine halbe Stunde haben wir für die 1,5km lange Strecke von Preinsfeld zur Schwechatmündung benötigt. Ab hier geht es dank vereinter Wassermassen aus Sattelbach und oberer Schwechat nun deutlich flotter voran.

Die Rabenthaler Schwälle präsentieren sich niederwasserbedingt sehr steinig, bieten dadurch zum Teil aber eine bessere Übersicht für die Linienwahl. Die letzte der 4 Gefällestufen bildet aufgrund einer Engstelle sogar eine nahezu perfekte Surfwelle, die ich mir nicht entgehen lassen kann. Mehrmals bringe ich Boot samt Teilen meines Oberkörpers unter die Wasseroberfläche. Bei diesem Wasserstand hätte ich mit so etwas nicht gerechnet. Die übrigen zwei Schlüsselstellen, jeweils steinige Abfälle in der Nähe von Straßenbrücken, sind ebenfalls leicht an der einzigen fahrbaren Linie zu bewältigen.

Die Herausforderungen zeigen sich nun vermehrt in den breiten Stellen, wo inzwischen schon wieder die Schotterbänke das Flussbett zurückerobern. Die Wahl der tiefsten Rinne fordert das jahrelang auf das Lesen von Wasserformen geschulte Auge enorm. Kurz vor der Fußgängerbrücke bei der Cholerakapelle ist Evas Fahrt dann beendet. Das Bachbett gibt nicht mehr genug Tiefgang her. Philipp schafft es gerade noch so über den letzten steinigen Abfall bevor auch er sein Boot im Kehrwasser parkt. Begleitet von verwunderten Gesichtern über unsere, für diese Gegend, ungewöhnlichen Sportgeräte laufen wir zurück zum Auto.

Das Resümee der heutigen Ausfahrt: 160cm am Pegel Klausen Leopoldsdorf sind nicht zwingend die notwendige Mindestwassermenge. 250cm bei der Cholerakapelle tun es zumindest abschnittsweise auch. Und: Der Sattelbach ist gar keine so schlechte Idee. Sollte demnächst mal wieder eine anstehende Hochwasserlage gerade nicht für die Befahrung der oberen Schwechat ausreichen so werden wir uns dem Sattelbach sicher erneut annehmen. Diesmal dann von etwas weiter oben. Bis dahin!

Euer Paddelclub Pernitz