Hamersky Potok 2021

Normal 0 false false false DE-AT X-NONE AR-SA Glücklicherweise dürfen wir auf Auslandsreise

Während die Pandemie weiter ungebremst über Europa wütet, bescheren uns die noch milden Infektionszahlen des ausklingenden Sommers die Möglichkeit einer Reise in unser nördlichstes Nachbarland. Dort findet man all das, was man als Paddler in Herbst bei uns so sehnsüchtig vermisst: Gutes Bier! Ja, das auch. Aber vor allem: Wasser! Und zwar jede Menge! Pünktlich zum ersten Oktoberwochende verwandelt der Ablass des Stausees Ratmirovsky Rybnik das idyllische Dorf Maly Ratmirov in ein Volksfest tschechischer Wassersportfanatiker. Willkommen zum Hamersky Potok 2022.

Die Freude ist groß, als wir hinter dem Grenzübergang Grametten ins einzige offene Geschäft stürmen und uns je mit 3 Dosen tschechischem Bier eindecken. Nach der letztjährigen coronabedingten Zwangspause sind wir heilfroh dieses Jahr wieder an unserem persönlichen Saison-Highlight teilnehmen zu können. Und dieses Jahr noch dazu so zahlreich. Neben den üblichen Verdächtigen: Eva, Philipp, Fiona und Julian, haben sich außerdem Yasmin, Fritz und Sigi angekündigt. Ein regelrechtes Who-Is-Who des östlichsten Paddelclubs der Alpen.

Als wir unser Auto auf einem freien Wiesenstreifen neben der Straße abstellen müssen wir feststellen, dass wir schon die letzten sind. Fritz und Sigi stehen bereits mit Eintrittsticket in der Schlange zum Steckerlfisch und Eva hätte sicher bereits auch eines, wenn sie sich aufgrund mangelnder Gesundheit nicht dazu entschieden hätte heute auszusetzen. Wir tun es Fritz und Sigi gleich, lösen uns je ein Zweitagesticket und begeben uns dann zurück zum Auto für einen Kostümwechsel. Fritz und Sigi folgen uns samt Wohnmobil.

Als wir startfertig mit Boot und Paddel bewaffnet zurück in Richtung Einstieg wandern verlieren wir Sigi endgültig an den Grillstand. Auch Fritz lässt die junge Generation für die Erstbefahrung auf sich allein gestellt, er leistet Sigi lieber kulinarischen Beistand. Und so landet von der groß angekündigten Teilnehmerschaft erst wieder nur dieselbe Kleingruppe im Wasser, genauer gesagt im Gatsch. Das Becken am Auslass der Staumauer präsentiert sich in vertraut brauner Manier. Überschwemmte Wiese, schlammige Fußabdrücke und schokomilchfarben Wasser, welches durch ein unterirdisches Rohr in der Mitte des kleinen Sees an die Oberfläche sprudelt. Großartig!

Fiona nimmt Reißaus und bootet, wie auch schon bei den vergangenen Befahrungen, erst unterhalb der kleinen Staustufe ein. Yasmin, Julian und ich folgen dem restlichen Feld in die wallende Schaumsuppe hinein und wärmen uns dort ein paar Paddelschläge gegen die Flussrichtung auf. Die wenigen brauchbaren Kehrwässer im Startteich sind bereits gut besetzt und so verbleiben wir auch nicht lange. Sobald sich die erste Lücke im konstanten Zustrom aus bunten Booten auftut, reihen wir uns dazwischen und folgen dem Wasser flussabwärts.

Schon beim ersten Abfall über die Staustufe wird eine Kostprobe des schaumdursetzten Kakaos häppchengerecht bis über die Unterkante des Kiefers zugeführt. Auch wenn das meiste davon im Gesicht landet, ist das dennoch genau der richtige Umschalter, den man braucht, um den inneren Paddler gehörig aufzuwecken. Viel Zeit zum Einpaddeln bleibt nämlich nicht. Auch wenn die Staustufe schnell geschafft ist, ändert sich am Flusslauf nicht dramatisch viel. Es bleibt eng und schnell. Das einzige Kehrwasser auf diesem Abschnitt folgt recht rasch auf der rechten Seite bietet aber genügend Platz, um dort genüsslich auf Fiona zu warten.

Geduldig beobachten wir Fiona vom anderen Ufer aus beim Einstieg. Sobald ihr Kendo den Bodenkontakt verliert, heißt es Verfolgung aufnehmen. Wir verlassen das Kehrwasser wieder und bewegen uns zügig durch die schmale Fortsetzung des oberen Abschnitts. Das Ende markiert eine breiter werdende Rampe, die allerdings das Steinkontaktproblem nur weiter verschärft. Wer es schafft diese Passage ohne Steinkontakt zu durchfahren wird am Ende mit einer weiteren Kostprobe des Schlammwassers belohnt.  Der nun nachfolgende Flachwasserteich gibt endlich Zeit zum Verschnaufen. Zwischen kreiselnden Schaumbergen und tiefhängenden Ästen arbeitet man sich gemächlich weiter nach vorne.

Die Ruhe währt nicht lange. Die nächsten Stromschnellen lauern bereits am Horizont. Rechtzeitig vor der nächsten Schlüsselstelle nehmen zumindest die Baumhindernisse wieder ab. In dem folgenden flacheren Abfall weitet sich der Bachlauf dermaßen, dass das Verhältnis von Wasser zu Steinen in ein sehr ungünstiges Verhältnis kippt. Die darüber hinaus trübe Wasserfarbe erschwert selbst erfahrenen Paddler hier eine saubere Linie herauszulesen. Mit mehr Glück als Verstand schippern wir unbeschwert und nur mit kosmetischen Kratzern an der Bootshülle hindurch.

Ab hier geht es relativ gemütlich weiter. Der Flusslauf hat eine angenehme Breite, wenig Baumhindernisse und nur ab und zu große Felsen, die im besten Fall sogar richtige schöne Wasserwulste zum Boofen erzeugen. Julian hat sichtlich Spaß. Dann staut sich vor uns wieder eine Gruppe zusammen. Die Wehr liegt vor uns. Die Mehrheit bestreitet die schräge Abrisskante auf der linken Seite. Heuer tut man sich aber aufgrund eines dort angeschwemmten Wurzelstocks noch schwerer sich dort vorbeizumogeln und daher bleibe ich auf meiner rechten Linie. Der Abfall gelingt, ebenso bei meinen Mitpaddlern und kurz darauf stehen wir auch schon im Kehrwasser des Schlüsselkaterakts.

Fiona bleibt ihrer Tradition treu und überlässt die Stelle uns während sie sich mit der Kamera positioniert. Leider bekommt sie bei mir nicht allzu viel Action vor die Linse. Meine Linie funktioniert, gerade im Vergleich zu den Vorjahren außerordentlich gut. Julian macht es da schon spektakulärer. Er erwischt einen Stein an der rechten Flanke, dreht sich und schiebt dabei seine Bootspitze über den Stein nach oben hinweg. Die Strömung dreht ihn nach links um die inzwischen vertikale Achse, wirft ihn zurück ins Wasser und schiebt ihn verkehrt aus dem Katarakt wieder raus. Yasmin hält sich zurück und vermeidet Konfrontationen a la Julian.

Den Abschluss bildet ein immer flacher werdender Flussverlauf, der sich mit zunehmender Länge mehr und mehr in Mäandern und Totholz verliert. Das Wildwasser geht zurück und die landschaftlichen Elemente nehmen überhand. Kurze Zeit später erreichen wir den ersten Ausstieg. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät, dass wir einerseits recht flott unterwegs waren und dass sich in Kürze ein halbvoller Shuttlebus wieder in Richtung Einstieg begeben würde. Zeit für einen zweiten Run hätten wir genug. Viel Überredungskünste waren nicht notwendig und so saßen wir bereits wenige Minuten später wieder im Bus nach oben. Den Blick richteten wir periodisch durch das Heckfenster des Busses, um sicherzugehen, dass unsere stümperhaften Seilkünste auch tatsächlich ausreichen um unsere Boote auf dem beinahe berstend vollen Bootsanhänger zu fixieren.

Als wir unser nasses Neopren wieder von den mit Plastiksäcken überzogenen Sitzplätzen lösen sind unsere Boote noch da. Der Bootsanhänger wird derweilen wie ein mit Hilfsgütern beladener LKW in einem dritte Welt Land geplündert. Halb angezogene Gummotexler hängen in luftiger Höhe von Querträgern und schupfen sich dabei Karabiner und Zweisitzerkajaks entgegen. Darunter entwirren Kajaker ihre Bondagekünste und ziehen in hochpräziser Mikado-Manier Boot um Boot heraus ohne, die darüberliegenden Paddler samt Equipment zu Fall zu bringen. Die Choreographie gleicht einem Ameisenhaufen, chaotisch, aber dennoch effektiv. Sekunden später ist der Anhänger leer, der Bus ist weg und auch wir stehen wieder mit unserem vollständigen Equipment bereits am Start für Runde 2.

Leicht angefeuchtelt aber hochmotiviert stürzen wir uns erneut in die Fluten. Das Wetter belohnt uns dafür sogar mit sonnigen Tendenzen. Bis zur ersten Wehranlage vergeht die Fahrt frei von etwaigen Vorfällen. Die Linien sind inzwischen bekannt, kleine Ausreißer sind eher dem internen Verlangen geschuldet mal was Neues ausprobieren zu müssen. Apropos was Neues: Yasmin! Yasmin folgt zwar der bereits bekannten Route über die rechte Seite der Abrisskante schafft aber eine noch nie zuvor dagewesene Landung zu fabrizieren. Aufgrund der schräge der Abrisskante zum Flussverlauf landet sie nämlich seitlich im Wulst dahinter und beginnt zu Surfen. Yei!

Yei? Nein, nicht wirklich. Eher ein Yikes! Das anfängliche Surfen entpuppt sich bei Yasmin schnell als ungewolltes Gefängnis in der Walze. Seitlich stützend schiebt sie ihr Boot abwechselnd nach vorne oder nach hinten in das hinunterstürzende Wasser aber leider ohne Erfolg. Die Walze hat sie fest im Griff. Inzwischen habe ich der nachfolgenden Fiona signalisiert, dass die Wehr blockiert ist. Auch nachfolgende Paddelkollegen bleiben brav stehen. Yasmin leidet inzwischen weiter vor sich hin. Ich mache mich derweilen mit Wurfsack bewaffnet ans nächstgelegene Ufer und warte. Und warte… Yasmin kämpft tapfer weiter und so sehr ich ihr auch gerne helfen wollte, ein quer über den Bach fliegendes Seil, welches unter die Walze gezogen wird, würde es nicht besser machen.

Alles was ich tun konnte war zu warten. Warten, bis Yasmin die Kraft ausgeht und sie aussteigt. Die Wartezeit vertrieb ich mir mit Fotografieren und Filmen. Ganze 3 Minuten dauerte es, bis ich schließlich den Wurfsack in ihre Richtung warf. Yasmin griff zu und konnte sich und Boot sicher ans Ufer pendeln lassen, als plötzlich ein zweiter Wurfsack von rechts daherflog. Komplett konträr zu unserem Wissen aus unserer kürzlich abgeschlossenen Übungsleiterausbildung lag nun ein unbenutztes Seilende quer im Wasser. Gut gemacht! Wenn auch nicht gerade sehr hilfreich, so schätze ich die Geste des tschechischen Paddelkollegen sehr und bedanke mich freundlich, bevor ich Yasmin mit dem Ausleeren des Bootes helfe.

Die ist sichtlich fertig und benötigt eine dringende Pause. Die Weiterfahrt verzögert sich somit etwas, was in Anbetracht des ohnehin gleich nachfolgenden Schlüsselkaterakts wohl sicher kein Fehler ist. Fiona lässt diesen wie gewohnt aus und positioniert sich mit der Kamera nur um Zeugin zu werden, wie Yasmin erneut samt Boot unter die Wasseroberfläche gerät. Ein Wasserwulst wirft sie auf die rechte Kante und ein Stützversuch aus ihrer Rücklage heraus bleibt erfolglos. Wenige Meter später gelingt ihr jedoch souverän die Rolle und sie rehabilitiert sich vor den Augen ihrer Zuseher. Das passt es gut, dass der Flusslauf nun endlich an Ruhe gewinnt.

Bevor wir überlegen ob es sich überhaupt auszahlt erneut früh auszusteigen, um eine weitere Fahrt des Oberlaufs anzustreben treffen wir auf Fritz und Sigi. Gemeinsam mit ihnen beschließen wir den Tag nun gemütlich auf dem ruhigeren Mittelteil des Hamersbachs ausklingen zu lassen. Ganz so ruhig läuft aber auch diese Fahrt nicht von statten. Diesmal sorgt Sigi für einen Schimmer. Leider beschränkt sich die spannende Geschichte dahinter auf eine simpel missglückte Versuchsrolle. Das wird wohl keine Story der Kategorie: „Jetzt dazö I da amoi wos“.

Die restliche Fahrt wird ab und zu für einige wenige Kerzelübungen genutzt, meistens reicht die Wassertiefe aber nicht aus, um überhaupt über einen 45° Winkel hinauszukommen. Die wenigen Abfälle und Schwallstrecken wechseln mit der fesselnden Landschaft der tiefstehenden Sonne ab und finden ihr Ende beim zweiten Ausstieg. Eine Fahrt bis zum Ende zahlt sich aufgrund fehlenden Zugverkehrs nicht aus. Hier trennen sich unsere Wege wieder. Während Sigi und Fritz zu ihren Wohnmobilen spazieren werfen wir uns erneut ins Getümmel des öffentlichen Bootstransfers und fahren zurück zum Einstieg.

 

Blöderweise fährt uns der Bus aber nicht bis zum Einstieg, sondern gleich bis zum Campingplatz. Eigentlich praktisch, wo wir doch hier unsere Unterkunft gebucht haben. Blöd nur, dass das Auto samt allen notwendigen Utensilien nun über einen Kilometer in der falschen Richtung entfernt parkt. Egal, wir versuchen mal einzuchecken. Es braucht die Hilfe mehrerer herumirrender Passanten bis wir beim richtigen Gebäude tropfend nass an einer unbesetzten Rezeption stehen und der Lacke unter unseren Füßen beim Wachsen zusehen. Nachdem mein Geduldsfaden in Anbetracht meiner ohnehin noch ausständigen Auto-Rückholaktion aber bereits drastisch geschrumpft ist, beauftrage ich Eva und Fiona mit dem Einchecken und gehe derweilen unser Auto suchen.

Als ich halb angezogen mit Auto den Weg zurück auf den Campingplatz gefunden habe, deutet mir Eva bereits den Weg zu unserer Hütte. Immerhin, ein Dach unter dem Kopf hätten wir schonmal, und Spinnweben. Naja, sehr einladend wirkt unsere Unterkunft nicht gerade. Immerhin scheint der Großteil der Hütte solide gemauert zu sein und nicht wie bei unserer letzten Unterkunft zur Gänze aus Spanplatten zu bestehen. Das ist schonmal eine Verbesserung! Nachdem wir angezogen und die Boote ebenfalls zur Hütte gebracht hatten ließen wir unsere Blicke über den Campingplatz streifen.

Der Anblick lud zum Schmunzeln ein. Unsere Hütte lag am höchsten Punkt und überblickte eine weite Wiese bis zum Ufer des Stausees. Der Großteil der Anwesenden war definitiv Paddler, der Rest wahrscheinlich Familie von Paddlern. Der Kinderspielplatz war dank akustischem Peilgeschrei präzise zu orten ebenso wie die Getränkeausschank mit der dazugehörigen Menschentraube. Zwischendrin gab es einige Sportplätze, die umringt waren von lodernden Lagerfeuern. Das dazugehörige Holz wurden zu Scharen von Urlaubergruppen aus dem Wald hinter uns direkt an unserer Fensterscheibe vorbei geschleift.

Die Stimmung gleicht einem germanischen Lager, welches sich voller Vorfreude auf die morgige Plünderung der nächsten Großstadt nochmal ordentlich zum Feiern gezwungen fühlt. Wir verlassen die bunte Szenerie und begeben uns zurück zum Gasthaus, wo wir auf Sigi und Fritz treffen. Im Gasthaus selbst herrscht tiefste Jugendherbergsstimmung. Das Essen wird nur im Gegenzug eines laminierten „Token“ präsentiert. Die Auswahl besteht aus 3 Fertiggerichten wobei die Konsistenz mancher Bestandteile durchaus Rätsel aufkommen lässt und die Sitzgelegenheit erinnern mehr an das Wartezimmer eines aufgelassenen Bahnhofs. Immerhin passt die Menge und warm ist es auch. Für den guten Geschmack sorgt ohnehin das Bier.

Und davon reichlich.  Nachdem wir unsere Pläne für morgen geschmiedet und die interessantesten Vorfälle von heute Revue passieren haben lassen begeben wir uns zurück zu unserer Waldhütte. Dort setzten wir das bunte Trinkgelage so lange fort, bis uns die Hütte heimelig genug und uns das Bett gemütlich genug erscheint. Und es funktioniert. Nur wenige Dosen später entschlummern wir hundemüde zu den lieblichen Klängen tschechischen Lagerfeuergeschichten. Bis zur ersten Klopause. Ob sich die bis zum Morgengrauen hinauszögern lässt?

Normal 0 false false false DE-AT X-NONE AR-SA Ein Bach, kein Kehrwasser!

08:00 früh im herbstlichen Südböhmen: Die Sonne versteckt sich hinter einer dicken Wolkendecke. Der Wind weht kräftig und die Luft ist bis zum Maximum mit Wasser gesättigt. Draußen regen sich vereinzelte finstere Gestalten. Ihr Weg führt sich allesamt zum selben Ziel. Ich folge Ihnen, den auch ich brauche nun dringend eine Toilette. Auf dem Weg zurück halte ich an einem Lagerfeuer gegenüber unserer Hütte. Selbst das ungemütliche tschechische Wetter konnte der Restglut nicht den Gar ausmachen. Die angenehme Restwärme entschärft dem beißenden Wind und so verweile ich hier noch ein wenig, bis sich auch die restlichen Mitbewohner zum Frühstück begeben.

Das Frühstück bleibt dem Stil einer Jugendherberge treu. Ein laminiertes Stück Papier im Austausch gegen ein Stück Brot mit einer Schinken-Käse Platte oder Eierspeis mit Würstel sind die magere Ausbeute, mit der wir uns heute in unserem restfeuchten Neopren von gestern zwängen. Für Eva und Yasmin scheint das zu wenig. Aufgrund mangelnder Gesundheit beschließen beide die heutigen Runs auszusetzen und stattdessen lieber die Heimreise anzutreten. Der letzte gemeinsame Tagespunkt bleibt somit das Ausräumen der Hütte und Einpacken des Autos.

Wenig später zeugt nichts mehr von unserem Besuch außer ein paar leerer Bierdosen und ein Haufen zerbröselter Dorito-Chips. Erneut verweilen wir um die Restglut des gestrigen Lagerfeuers. Die abgestrahlte Wärme ist Balsam auf der vom angefeuchteten Neopren benetzten Haut. Fiona ist die Einzige, die sich aufgrund ihrer trockenen Zweitausrüstung ein breites Grinsen erlauben kann. Als sich um uns herum immer mehr Paddler und Gumotexler in Richtung Ufer bewegen wird es Zeit uns der Völkerwanderung anzuschließen und dem unausweichlichen Ruf des Wassers Folge zu leisten.

Die Anreise zum Einstieg legen wir auf dem Wasserweg zurück. Der kräftige Gegenwind lässt Zweifel aufkommen, ob der Landweg nicht vielleicht die bessere Wahl gewesen wäre. Immerhin kommen wir dadurch aber bereits gut warmgepaddelt beim Starteinlass an. Dort dann die Überraschung: Eine Schlange! Verglichen mit gestern war das erstaunlich, dass trotz einsetzendem Nebelreißens der Andrang größer war als bei Beinahe-Sonnenschein. Andererseits war dieser Stau bei einer solch überragenden Menge von Gumotexlern auch nicht verwunderlich. Die brauchen nun mal länger, um ihre unhandlichen Gummiwürstel zum Einstieg zu schleppen.

Als wir endlich beim Starteich ankommen ist die vorausgegangene Aufwärmrunde schon wieder umsonst. Während Julian und ich ungeduldig auf eine Lücke im nicht abreißenden Zustrom aus Aufblasbooten warten, macht sich Fiona derweilen unter der Staustufe bereit. Der geschrumpften Gruppengröße und dem Mangel leerer Kehrwässer ist es geschuldet, dass wir den Anfang des Oberlaufs erneut unerwartet schnell und ohne Zwischenfälle hinter uns bringen. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass zu dem ohnehin schon fordernden Slalom aus Felsen und Hindernissen nun auch noch schwerfällige Gumotexfahrer hinzukamen.

Beim Ausstieg angekommen steht bereits ein voll besetzter Bus am Straßenrad. In der Wiese daneben wartet schon die Besatzung für die nächsten zwei Busse. Und obwohl der Bus eigentlich schon voll war, konnte man dennoch vereinzelte findige Kajaker entdecken, die es irgendiwe schafften ihr Boot in einer ungenützten Lücke zu verstauen. Der Erfindergeist der Tschechen beim Bootstransport scheint keinen physikalischen Gesetzen mehr zu unterliegen. Auch wir versuchten unser Glück. Die Alternative, sich gleichzeitig mit anderen 100 Mann auf einen leeren Bus zu stürzen, schien ohnehin weniger amüsant.

Und tatsächlich! Bei genauerem Blick tun sich ungeahnte Weiten in dem verschweißten Stahlgerüst auf, wo mit etwas gezielter Gewalt durchaus noch 3 Boote Platz hätten. Zeitlich ging sich aber nur mehr die Montage von Julians Rexy aus, bevor uns ein netter Herr in Warnweste auf Tschechisch zu erklären versucht, dass der Bus nun abfährt. Jetzt heißt es schnell umplanen. Julian leert seine Taschen und überlässt Fiona und mir sämtliche noch verfügbaren Bandschlingen im Austausch für den Autoschlüssel. Julian beschließt nämlich ohnehin keinen weiteren Durchgang mehr zu unternehmen. Er zieht es, ob seines angeschlagenen Gesundheitszustands, vor sich lieber warm angezogen mit seinem Handy im Auto einzusperren.

Fiona und ich bleiben zurück und wartet in der Menge auf den nächsten Bus. Glücklicherweise lösst dieser ohnehin nicht lange auf sich warten. In weiser Voraussicht auf das drohende Gerangel um einen Platz im Bus versuche ich unsere Boote bereits so am Straßenrand zu platzieren, dass das hintere Ende des Anhängers direkt vor uns zu stehen kommt. Meine Annahme ist überraschend korrekt. Der Bus bleibt stehen und der Anhänger ist zum Greifen nahe. Das Problem an dieser Herangehensweise ist jedoch, dass nun etwa eine 100 Mann starke Traube von hinten an den Hänger herandrückt und ihre Boote über unsere Köpfe hinweg schießen.

Ich platziere mein Kendo schnell ins unterste Fach und drehte mich sofort zurück zu Fiona, um ihr mit ihrem Boot zu helfen. Aber noch bevor mich Fionas Blick findet, trifft mich die erste Bootsspitze bereits am Kopf. Gottseidank war da noch ein Helm im Weg. Plötzlich verdunkelt sich der Himmel über uns. Anstatt grauer Wolken konnte man nun unzählige Bootsrümpfe von unten beobachten, die wie auf einem Fließband über unseren Köpfen nach vorne gereicht wurden. Ein nicht enden wollender Zustrom aus Stage-Divenden Paddelbooten ergießt sich über uns. Und ähnlich wie bei einem Rockkonzert gab es auch hier einzelne Spezialisten, denen dafür einfach die Körperspannung fehlte.

So überrascht es nicht, dass etwa jedes dritte Boot seinen Weg zum Hänger nur mit Hilfe von Vollkontakt meines Hinterkopfs fand. Als ich es zwischen den Schlägen endlich schaffe Fionas Boot nach vorne zu ziehen, ist der Hänger bereits zur Hälfte voll. Es braucht einiges an Geschick, das Boot nach oben in den Anhänger zu bugsieren, aber es gelingt. Endlich können wir aus der Schusslinie. Etwas abseits des Schlachtfelds richten wir uns die Bandschlingen zurecht, um die Position unsere Boote zu festigen.

Als ich jedoch gerade damit beschäftigt war Fionas Boot absturzsicher zu vertäuen macht sich mein Boot derweilen wieder auf Reisen. Der zunehmend schwindende Platz auf dem Hänger veranlasst die Nachzügler nun zu etwas rabiateren Methoden. Was nicht passt, wird passend gemacht. So kommt es, dass wenn man an einer Seite ein Boot mit Gewalt hineinschiebt, auf der anderen Seite mein Boot wieder rausrutscht. Verdammt! Ich wechsle den Schauplatz und versuche mein Boot wieder in das Eisengestell hineinzudrücken. Leider vergebens. Der Platz schien verloren.

Glücklicherweise erlaubt die schmale Bauform des Kendos ihn auch einfach außerhalb des Gestells anzuketten. Darf er halt ein bisschen schaukeln, wenn er will. Nach diesem hart umkämpften Erfolg genießen wir noch kurz den Anblick der letzten herumkraxelnder Paddler, bevor wir im Bus Platz nehmen. Genau dann fängt das Telefon an zu läuten. Mit triefend nassen Händen versuche ich mein Handy möglichst trocken an mein Ohr heranzuführen. Ich höre Sigis Stimme. Der Inhalt seiner Worte geht jedoch im lauten Umgebungsrauschen aus Dieselmotor und gesprächsfreudigen Paddelkollegen unter. Ich wiederhole mehrmals und lautstark, dass wir uns im Shuttlebus auf dem Rückweg befinden, weiß aber nicht, ob er mich auch verstanden hat. Wenige Sekunden später legt er wieder auf.

Als wir etliche Minuten später wieder samt Boot und Paddel am Einstieg stehen, grinsen uns Fritz und Sigi entgegen. Offenbar hat da jemand unerwartet Auftrieb bekommen. Nachdem sich die Teilnehmerzahl unserer Paddelgruppe seit gestern stetig verringert hat, sind wir nun froh über die Verstärkung. Zu viert setzen wir uns ein letztes Mal am Einstieg in den Startteich, sogar Fiona bootet oberhalb der Staustufe ein. Die Anwesenheit der Altpaddler sorgt bei ihr offenbar für einen kleinen Motivationsschub. Der erste große Andrang der Gumotexflotte ist inzwischen ebenfalls schwächer geworden und so präsentiert sich der Hamersbach wieder etwas aufgeräumter und übersichtlicher.

Ich fahre vor, um die Premierenfahrt von Fiona über die erste Staustufe festzuhalten. In einem kleinen Ein-Mann-Kehrwasser direkt nach der Staustufe halte ich auf verschwommen 16 Megapixeln fest, wie Fiona durch den Weißwasserwulst hindurchsticht. Kurz darauf folgen auch schon Sigi und Fritz. Das nachfolgende Kehrwasser wird sehr stiefmütterlich behandelt. Stattdessen stürzen wir uns lieber direkt in die nächste Schlüsselstelle. Immer wieder versuche ich einen Vorsprung herauszufahren, um ein paar Fotos zu erhaschen. Die diffusen Lichtverhältnisse produzieren aber mehr verschwommen Ausschuss als brauchbare Dokumentarfotos. Bei der Wehrstufe angelangt erfährt Fionas sportlicher Ehrgeiz einen kleinen Dämpfer.

Wohl noch etwas beeindruckt von Yasmins gestriger Surfeinlage stürzt sich Fiona etwas zu weit rechts hinunter und kommt dadurch gefährlich nahe an die tiefhängenden Äste der Uferböschung. Als ich gerade dabei war meine Kamera von Fiona wieder in Richtung Abrisskante zu schwenken, begegnet mir Fiona mit lautstarkem Protest. Etwas irritiert wende ich mich von meinem Fotomotiv ab. Es vergehen einige Sekunden bis mir bewusst wird, dass Fionas Paddel noch in der Uferböschung hängt. Eigentlich nicht so schlimm, wenn Fiona nicht gerade allein Richtung Schlüsselstelle treiben würde. Ups!

Bis ich mich aus meinem seichten und steinigen Kehrwasser befreit hatte, war Fiona beinahe außer Sichtweite. Glücklicherweise waren Sigi und Fritz aber bereits zur Stelle und hatten Fiona und ihr Paddel im Nu wiedervereint. Schade, dass es davon leider keine Fotos gibt. Auf diesen kleinen Schreck hin, verwundert es nicht, dass Fiona die Schlüsselstelle erneut auslässt und sich stattdessen mit Kamera bewaffnet ans Ufer stellt. Ein letztes Mal richtet die Kameralinse den Blick auf die chaotischen schaumdurchsetzten Felsenstufen bevor wir im flachen Waldstück dem Ausstieg entgegentreiben.

Nachdem dies unsere letzte Fahrt ist, lassen wir den ersten Ausstieg links liegen und genießen lieber die sanfteren Passagen des unteren Hamersbach. Der Unterlauf ist wenige besucht und so können wir beinahe ungestört sämtliche Walzen und Wellen für Surfeinlagen beanspruchen. Lediglich zum Ende hin stoßen wir auf eine lästige Gruppe, die es sich zum Ziel gemacht hat, einen markanten Weißwasserwulst inmitten einer Engstelle zu besetzen. Aber auch dieses Hindernis umgehen wir gekonnt. Dann heißt es Abschied nehmen. Sigi und Fritz machen sich auf zu ihren Wohnmobilen, während Fiona und ich ein letztes Mal die Kajaks im Eisengerüst des Bootsanhängers vertäuen.

Zurück am Einstieg wartet im Auto ein vom Handy gefesselter aber zu unserer Überraschung bereits angezogener Julian. Wir bemühen ihn uns beim Verladen der Boote zu helfen, während wir uns aus den nassen Sachen quälen. Erst jetzt bemerken wir wie ungemütlich es außerhalb des saftelnden Neoprenanzugs ist. Der nachlassende Adrenalinpegel gepaart mit einsetzendem Mittagshunger können der kalten Herbstluft nichts entgegensetzen.

Als wir endlich sämtliches Equipment im und am Auto verstaut hatten war der erste Griff sofort jener zur Heizung. Der zweite Griff ging in die Kekspackung, erst dann kam das Lenkrad. Die Wärme der Autoheizung bahnte sich seinen Weg nur langsam in die Schuhe. Erst kurz vor der Grenze, waren Zuckerreserven und Körpertemperatur wieder auf Normalniveau, sodass sich rechtzeitig zur Abreise die übliche Mischung aus Freude und Fernweh einstellte, weil der Hamersky Potok leider schon wieder zu Ende ist. Was bleibt ist die Vorfreude auf nächstes Jahr. Dann holen wir uns den nächsten Sticker für unsere Helme. Bis dahin.

Euer Paddelclub Pernitz