Frau Holle in der Hölle
Beste Bedingungen… fürs Skifahren. Und doch schreibe ich hier keinen Blogeintrag über meine letzte Skitour, die nebenbei bemerkt gerade mal fünf Tage zurück liegt. Nein, es geht wie gewohnt ums Paddeln. Allerdings erinnert die Witterung der heutigen Episode eher ans Hochgebirge. Keine zwei Wochen nach unserer frühsommerlichen Ausbeute beim Anpaddeln hat der April seinem Ruf nun alle Ehre gemacht. Schneebedeckte Berggipfel, dichte Wolken und jede Menge Schauer bescheren uns heute einen Pegelstand von 165cm an der ehemaligen Singerin.
Als niederwasserverwöhnter Voralpenbewohner lässt man sich so einen Pegel naturgemäß nicht entgehen und ignoriert dafür auch schon mal gerne den Wetterbericht. Dass wir das besser nicht gemacht hätten, kommt uns erst in den Sinn, als uns in Gloggnitz bei 5.5°C die ersten Schneeflocken entgegenfliegen. Die Zweifel verhärten sich je tiefer wir ins Höllental vordringen. Mit jeder weiteren Kehre sinkt die Temperatur wieder um ein halbes Grad.
Beim Weichtalhaus angekommen zeigt das Thermometer gerade noch 3° an. Ein Blick über die Straßengalerie zeigt eine dichte Nebelwand, die sich langsam näher schiebt. Der Wind frischt ebenfalls spürbar auf. Die einzigen, denen jetzt in den Sinn kommen würde Paddeln zu gehen sind entweder so unbelehrbare Optimisten wie Philipp, Fiona und Julian oder komplette Neulinge, die noch keine Ahnung haben, worauf sie sich hier einlassen. Stimmts, Martin? Welch besseres Wetter hätte man sich für seine erste Wildwasserbefahrung sonst wünschen können?
Das Schneegestöber wartet dankenswerterweise noch bis wir fertig umgezogen sind bevor es über uns hereinbricht und unsere Kajaks mit einer zarten Schneedecke verziert. Julian absolviert mit Martin derweilen einen Crashkurs in Sachen Wildwasserpaddeln. Für jemanden, der bis dato nur Rollentraining im beheizten Schwimmbad absolviert hat, erweisen sich die ersten Versuche im Wildwasser unter Polarluft nicht nur als physische Herausforderung. Trotzdem zeigt Martin keinerlei Anzeichen von Verzweiflung.
Nachdem die Basics halbwegs sitzen, kann das Spiel losgehen. 3 Übungsleiter und ein Anfänger müssen möglichst trocken zum Ausstieg gelangen bevor ihnen die Finger zur Gänze absterben. Für die Gewinner wartet ein warmes Mittagessen, für die Verlierer eine Lungenentzündung. Mit solchen Aussichten lag der Fokus mehr denn je darauf die Fahrt ohne Schwimmer zu überstehen. Und die Chancen stehen gut. Sogar der Schneefall hat inzwischen aufgehört.
Martin erweist sich als überaus fähig und hat bereits nach kurzem die üblichsten Anfängerfehler weitestgehend unter Kontrolle. Während das Ziel, Martin trocken nach Hause zu bringen, immer realistischer erscheint rückt ein anderes derweilen in weite Ferne: Der Zustand meiner Finger. Inzwischen ist das kältebedingte Absterben bereits so weit fortgeschritten, dass das Bedienen der Kamera beinahe zu einer Unmöglichkeit geworden ist.
Abhilfe schafft erst die Hochstegbrücke. Um Martin auf die lauernden Schlüsselstelle vorzubereiten, unternehmen wir einen Landgang und besprechen die Linie vom Ufer aus. Der kurze Spaziergang bringt den auf Sparflamme geschraubten Kreislauf in Schwung und hebt die Temperatur der Finger erheblich. Nachdem Julian noch die sichere Durchfahrt demonstriert hat, beschließt Martin sich dem Hochsteg zu stellen und folgt Fiona ohne Zwischenfall durch die Engstelle.
Mit zunehmend sonnigerem Wetter setzen wir die Fahrt fort. Der überaus gute Wasserstand sorgt für ein rasches und problemloses Vorankommen. Nicht einmal die scharfen Strömungsformen der felsdurchsetzten unteren Schwarza vermögen Martin aus dem Boot zu werfen. Lediglich Julian muss sich einem missglückten Kerzelversuch zur Folge einer kalten Dusche unterziehen. Intelligenterweise tut er das aber erst kurz vor Schluss womit der Weg ins warme Trockengewand gerade noch zu verschmerzen ist.
Zurück beim Auto wird das Umziehen zum Wettlauf gegen die Zeit. Sobald die schützende Neoprenschicht die feuchte Haut freilegt, startet im Körperinneren ein Countdown von nur wenigen Sekunden bevor sich betreffendes Körperteil wieder in ein trockenes Gewandstück gehüllt haben muss. Sonst droht eine schmerzhafte Taubheit, die sich nur über Minuten mühsamer Sportübungen wieder vertreiben lässt. Während mir das Kunststück bei meinen Zehen misslingt, nutzen die anderen die windgeschützten Bereiche hinter den Autotüren oder gleich im geschlossenen Kofferraum.
Eine kurze Ewigkeit später sind auch beide Autos ausgependelt und die Boote wieder am Dach. Es folgt eine kurze Autofahrt zum nächsten Gasthaus wo mithilfe von Suppe und Schnitzel versucht wird dem weiteren Absinken der Körpertemperatur entgegenzuwirken. Nachdem die Gefahr der Lungenentzündung gebannt ist, kehrt die entspannte Post-Paddel-Stimmung wieder zurück. Es werden Fotos gezeigt, Fahrten besprochen und hoch und heilig versprochen, dass bei Martins nächster Fahrt die Luft wärmer sein wird, als das Wasser.
Bis dahin,
Euer Paddelclub Pernitz