Sind das etwa Boote aufm Dach?
Durchs Fenster blickt eine gerunzelte Stirn. Sie hat uns bemerkt, gibt sich aber alle Mühe, sich das nicht anmerken zu lassen. Das verletzte Ego gebietet so zu tun, als ob wir uns nicht kennen würden. Doch sind wir uns schon flüchtig begegnet. Nur hast du uns im Rausch der linken Spur, wie alles rechtsfahrende, nur als niederes Transportmittel wahrgenommen. Warum auch? Deine höhergelegte Sitzposition und dein Wiener Kennzeichen gebieten dir gottesgleiche Vorrangregeln.
Und nun sehen wir uns wieder. Das Paddelblatt hat sich gewendet. Das aufgeblasene Ego zerfällt in Unbehagen, als der dreckige Familien-Skoda beladen mit vier Kajaks auf dem Dach an dir vorbeizieht, bergauf, in einer Außenkurve der S6. Selbst der größte Kühlergrill kann den Ärger nicht verdecken, dass dein SUV eines namhaften deutschen Herstellers nicht mit dem Fahrstil eines unter Zeitdruck stehenden Paddlers konkurrieren kann. Wie kann dieses billige Vehikel es nur wagen so unverschämt an dir vorbeiziehen?
Doch noch bevor die imaginäre Ziellinie des Tunnelketten-100er deine Niederlage besiegelt verlassen wir die Autobahn. Wir zweigen nach Gloggnitz ab und überlassen die Rennstrecke wieder dem großzügigen Windschattenspendern. Und ganz egal, ob sich dieses Szenario bei besagten komplexbesessenen Klein-LWK-Lenkern auch tatsächlich so im Kopf abspielt, für mich ist es immer wieder schön, die Reaktion anderer Autofahrer zu beobachten, wenn sie nach langer Winterpause die Straße nun plötzlich wieder mit kreativ verzurrten Plastikbooten teilen müssen.
Und so steigen wir bereits bestens gelaunt und zur Abwechslung mal überpünktlich beim Rax-Parkplatz aus dem Auto und blicken skeptisch in die Schwarza. Mit dem Wortlaut der Klitschko-Brüder aus einer alten Milchschnitten-Werbung: „Niederwasser?“ Niederwasser!“ nehmen wir die magere Wasserausbeute zur Kenntnis und beginnen mit unserem rituellen Straßenrand-Striptease. Doch selbst die äußerst geringen 138cm am Pegel Singerin, können die Vorfreude aufs Saison-Opening nicht dämpfen und schon wenige Minuten später hat sich unsere Anzahl mehr als verdoppelt.
Mit Maximalbesetzung schlängelt sich das Bootstaxi das Höllental flussaufwärts bis zum Einstieg kurz oberhalb des großen Kesselgrabens, wo uns bereits weitere paddelentzugsgeschädigte Einheimische empfangen. Insgesamt sind es neun an der Zahl: Sigi, Eva, Barbara, Laure, Philipp, Fiona, Yasmin, Christian und Moni. Für so wenig Wasser eine erstaunliche Anzahl. Wir kompensieren das wenige Wasser halt einfach mit mehr Paddlern. Über Stock und Stein rumpeln wir flussabwärts. Immerhin lassen sich durch den trüben Himmel die Steinhindernisse im Gegenlicht besser erkennen.
Was nicht heißt, dass man Ihnen auch ausweichen muss. Moni strapaziert die Bootshülle der gelben „Edeltussi“ ganz nach dem Motto: „Dont be gentle, its a rental“. Der Curve revanchiert sich, indem er Moni verkehrt in die Freiheit einfahren lässt. Weil aber auch das Boot selbst keine Lust auf einen Schwimmer hat kommen sie am Ende beide trocken und im Vorwärtsgang wieder beim Weichtalhaus an. Nach dieser kurzen Schwallpassage wird das Tempo etwas angezogen. Einerseits werden die Finger langsam kalt und andererseits warten die schönsten Spielstellen erst unterhalb von Kaiserbrunn.
Die untere Schwarza tun sich aber ohnehin nur mehr die hartgesottenen Teilnehmer an, oder besser gesagt jene, die ihr Auto bei der Seilbahn abgestellt haben. Die andere Hälfte steigt bereits vorher aus und erwartet uns beim Bootshaus zu Bier und Chili. Am Ende wars ein größtenteils unaufgeregter, aber sehr geselliger Auftakt in die kommende Paddelsaison. Perfekt zum Einstimmen auf alles, was das heuer so kommen mag.
Euer Paddelclub Pernitz