Todeswünsche aus Baden
Nein, bei diesem Titel handelt es sich nicht um eine schlechte Adaption eines bekannten James-Bond Streifen, sondern um tatsächliche Kommentare einiger übervorsichtiger Bürger aus einer in Baden ansässigen Facebook-Gruppe. „Unverantwortlich sowas…in Lebensgefahr zu begeben…Vorbildwirkung für andere…“ Naja, etwas dramatisch, aber für den hobbylosen Freizeitrentner mit Internetzugang und ohne Wildwassererfahrung können die brauen Wassermassen ein durchaus furchteinflößendes Spektakel darstellen.
Für uns Paddler hingegen ist es das ersehnte Ende einer jahrelangen Wartezeit. Und als vergangenen Donnerstag die Vorläufer des Vb-Tiefs im Helenental für den ersten freudigen Pegelsprung sorgten wussten wir noch nicht, dass wir einen Tag später zittern würden, ob der Pegel am Samstag noch weit genug für eine Befahrung fallen würde. Das letzte Mal als ein vergleichbarer Pegel herrschte war die Hochwasserverbauung in Alland nämlich nur mit einem lebensmüden Tauchgang zu „unterwältigen“.
Deshalb inspizieren wir am Weg zum Einstieg alle potenziellen Gefahrenstellen wie die Cholerakapelle oder die Hochwasserverbauung in Alland. Für die Klause müssen wir etwas improvisieren. Aufgrund der umliegenden Vegetation ist die Sicht leider versperrt. Mithilfe einer Kamera, die an zwei Bandschlingen baumelt, können wir aber auch hier grünes Licht geben. Endlich, nach 2 Stunden Besichtigung, Auspendeln und Ausrüstung anlegen liegen um 12:00 endlich alle Boote im Wasser. Mit dabei sind Lorenz, Philipp, Fiona, Julian, Martin und ein Pegel von 212cm in Klausenleopoldsdorf.
Eine letzte Gruppenbesprechung zur Festlegung der Reihenfolge soll sicherstellen, dass wir auf jede erdenkliche Abweichung vom normalen Programmablauf reagieren können. Als ich auf dem Weg zur Klause im dicken Schilfbewuchs kurzzeitig den Blickkontakt zur Einfahrt verliere offenbart sich mir kurz vor der Staumauer ein unerwarteter Anblick: „Paddler!“. Ja, tatsächlich. Andere Paddler, hier auf der Schwechat! Die Mundwinkel wandern nach oben. Irgendwie doch angenehm zu wissen, dass wir nicht die einzigen Deppen sind, die da heute hinunterfahren.
Das Kehrwasser vor der Schleuseneinfahrt ermöglicht einen letzten Blick in den dunklen Schacht. Oberhalb der Klause hat sich bereits eine kleine schaulustige Meute samt Kamera eingefunden vor dessen Linse ich nun zwischen meterdicken Steinmauern und braunen Wassermassen in der Wand verschwinde. Und genauso freudig auf der anderen Seite mit einem Schwall Dreckwasser im Gesicht wieder auftauche. Schnell ins Kehrwasser und vorsichtshalber mit Wurfsack ans Ufer stellen. Die Kamera ist inzwischen auf die nachfolgenden Paddler gerichtet.
Fiona ist die erste, die aus dem dunklen Ausgang hinausschießt. Als zweites kommt Martin und als dritter sein Boot, Mist! Und schon fliegt das Seil! Idealerweise konnte Martin sein Boot bereits am Ufer festmachen, bevor es den Wurfsack überhaupt gebraucht hätte. Im Trubel von Martins Rettung geht Julians Ankunft leider unter, und zwar wortwörtlich. Auch er befreit sich in der Klausenausfahrt vom Boot und zwingt Lorenz als Schlusslicht gleich einmal dazu die Verfolgung aufzunehmen.
Fiona steigt nun ebenfalls aus, um den dem bootslosen Julian bei der Rettung seines Boots zu unterstützen. Aufgrund der Fließgeschwindigkeit und dichten Uferbewachsung beschließt Julian aber kurzerhand die Verfolgung schwimmend fortzusetzten. Fiona verweigert und so trennt sich unsere Gruppe. Während Lorenz und Julian versuchen sein Boot an Land zu schieben, fällt Philipp und Fiona erst jetzt auf, dass Martins Paddel fehlt. Doppelmist!
Unter der Annahme, dass das Paddel bereits flussabwärts unterwegs ist und Julian und Lorenz unsere Unterstützung bei der Bootsbergung benötigen, beschließen wir Martin schweren Herzens zurückzulassen. Als einziger Trost bleibt, dass sein Auto nicht weit weg steht. Wir hätten ihm sehr gerne eine längere Fahrt auf der Schwechat vergönnt, aber ohne Paddel steht eine Weiterfahrt außer Frage. Wir vertrösten ihn aufs nächste Mal und verabschieden uns. Ab hier sind wir nur mehr zu viert.
Etwa einen Kilometer flussabwärts treffen wir Lorenz und Julian wieder. Gemeinsam gelang es ihnen das Boot in den Ausläufern einer überschwemmten Furt festzumachen. Nachdem Julian nun endlich wieder mit seinem Boot vereint war, konnte er uns berichten, dass er Martins Paddel unmittelbar hinter der Klause im Gestrüpp stecken gesehen hat. Per Telefon berichten wir Martin die Neuigkeit aber trotz erneuter minutenlanger Suchaktion fehlt weiterhin jede Spur des Paddels, vorerst.
Bei der Allander Hochwasserverbauung angekommen zeugt die überschwemmte Wiese von der nächtlichen Pegelspitze. Der See hat sich inzwischen zum Großteil aufgelöst aber die Durchfahrt tost bedrohlich in der Ferne. Fiona bedarf etwas Überredungskunst, fährt aber schließlich doch durch die Betonwand, nachdem ich mich als Retter erneut mit Wurfsack platziere. Diesmal jedoch umsonst. Nur beinahe greife ich zum Seil, als sich die unbekannten Paddler vom Einstieg ganz frech dazwischen mogeln und einer von ihnen ungewollt in der Ausgangswalze zu Surfen beginnt.
Die Freestyle-Einlage gelingt und sowohl Julian als auch Lorenz folgen ohne Zwischenfall durch die Stromschnellen. Bevor unsere Paddelgruppen wieder getrennt davon ziehen überbringen uns Norbert und sein Begleiter noch eine freudige Nachricht. Ein Paddel wurde gefunden, welches sie freundlicherweise am nächsten Brückenpfeiler abgelegt haben. Da uns ortsfremden Touristen die beschriebene Stelle aber leider unbekannt war einigen wir uns darauf, dass sie uns das Paddel beim Auspendeln zum Auto bringen. Glück im Unglück! Beruhigt über das wiedergefundene Paddel setzen wir die Fahrt fort.
Nur wenige Meter nach Alland folgt ein weiterer Stopp. Ein Doppelbaumhindernis versperrt die Schwechat. Trotz der nur spärlich gesäten Kehrwasser gelingt allen vier das Boot noch vor dem ersten Baum aus dem Wasser zu ziehen. Spätestens beim zweiten Baum wäre sonst ein sehr unfreiwilliges Bad angestanden. Der nächste Baum wartet kurz vor Sattelbach und liegt wie schon der vorherige so blöd unter der Wasseroberfläche das weder Überfahren noch Untertauchen als machbar erscheinen. Aufgrund fehlender Kehrwässer für vier Leute umtragen wir diesen Baum großräumig.
Es folgen brauen Schwallstrecken mit riesigen Wellen, unter denen die sonst üblichen Abfälle und Walzen beinahe untergehen. Erst als sich das Flussbett weitet, tauchen die altbekannten Spielstellen wieder auf. Bekannt ist auch der Baum, welcher in der markanten S-Kurve nach der Cholerakapelle auf uns wartet. Und obwohl ich ihn seit Jahren kenne und vor ihm gewarnt habe verhau ich die Linie. Anstatt ihn rechts zu umfahren, spült es mich links ins dicke Gestrüpp und ich schaffe es gerade noch so mit genügend Schwung über den mannsdicken Stamm, wo ich beinahe Julian mitabräume. Na gut, der Schulter zuliebe dann nächstes Mal doch wieder rechts.
Und gerade als man denkt, dass man jetzt alle Hindernisse überwunden hat, unterbricht eine weitere Doppelbaumsperre das feuchtfröhliche Surfen beim Holzrechenpatz. Das Wiedereinsteigen lohnt sich kaum, ist der Ausstieg doch bereits in Sichtweite, nur halt leider auf der anderen Seite des Ufers. Am Parkplatz angelangt scheint bereits die Sonne. Die Ausrüstung ist voller Matsch, die Finger halb gefroren und doch sitzt ein breiter Grinser im Gesicht als man mit interessierten Passanten ins Plaudern gerät. Sind wohl doch nicht alle Badener so wie in der Facebook-Gruppe.
Bis zum nächsten Hochwasser im Helental
Euer Paddelclub Pernitz
PS: Das Paddel wurde freudig an Martin retourniert. Vielen Dank an Norbert und Begleiter fürs Bergen