Piestingtaler Schotterrutschen
Adieu Flachwassertraining! Eigentlich haben sich Eva, Philipp und Fiona heute zu unserem allzweiwöchigen Paddeln auf der Hollinger Wehr zusammengefunden. Einem ergiebigen Regenguss vom Vortag geschuldet lockte es uns dann aber doch lieber ins Blättertal für eine gemütliche Abendrunde auf der Piesting. Eine optimistische Stimme im Hinterkopf war sich absolut sicher, dass da heute genügend Wasser vorhanden sein wird. Wessen Stimme das auch immer war, beim Anblick des Blättertalkateraktes wandelte sich der Optimismus schnell in simple Realitätsverweigerung.
Uns war ziemlich schnell klar, dass für unser Vorhaben durchaus mehr Wasser von Vorteil gewesen wäre. Umdrehen wollte dann aber doch keiner. „Das geht schon!“, wandte sich die innere Stimme nun nach außen. Und die anderen gehorchten. Bevor die eigentliche Fahrt aber beginnen konnte mussten wir noch irgendwie ein paar Äste aus dem Katarakt entfernen. Dem niedrigen Wasserstand geschuldet floss die einzige machbare Linie nämlich direkt an einer auf Ästen gegründeten Insel vorbei. Ein Durchfahren hätte unweigerlich eine Kollision zur Folge gehabt.
Als vermeintlicher Vorausfahrer, wollte sich Philipp dieses Szenario gerne ersparen und stieg knietief ins Wasser und begann die Insel Stück für Stück zu zerlegen. Im Wahn eines seit Monaten auf Entzug stehenden Staudammbaumeisters reißt er Ast um Ast aus dem Geflecht. Wie ein Hai, der im Blutrausch bereits den Surfer verspeist, aber aus purer Lust am Herumwüten einfach weiter am Surfbrett knabbert, zerlegt er trotz bereits freier Fahrt fröhlich weiter. Erst als das nasse Neopren am Körper zu stören beginnt, fällt ihm wieder ein, warum er überhaupt erst ins Wasser gestiegen war.
Die Durchfahrt ist frei, der restliche Katarakt auch und Philipp trennt sich schweren Herzens von seinem Bauprojekt. Wir gehen zurück und steigen wie gewohnt oberhalb der Straßenbrücke in die Piesting. Schon auf den ersten Metern ist öfters mal Anschieben angesagt, um überhaupt erstmal in die Nähe des Katerkats zu gelangen. Ich fahre vor und stürze mich als erster hinunter. Auf wunderschön aufgeräumten Felsblöcken schlittert mein Kendo von einer Kante zur nächsten. Ein fieser Stein in der Mitte dreht mich aus der Ideallinie und über einen seitlichen Umweg rutsche ich weiter nach unten in ein Becken. Ganz unerwartet schwimmt mein Boot plötzlich auf.
Ich nutze die Chance, um Schwung für die nächste Steinblockade zu holen und liege kurz darauf später in einem Kehrwasser, auf Grund. Die Kamera ist flussaufwärts gerichtet wo sich Eva gerade dem Katarakt nähert. Auch sie fährt geradewegs in die freigeräumte Passage, wo sie auf denselben fiesen Stein trifft. Auch Eva dreht es. Allerdings in die andere Richtung, woraufhin sie verkehrt Richtung Ufer fährt und zwischen diesem und dem Stein eingeklemmt wird. Sie steckt! Wunderbar. Dann kann ich noch ein Foto machen, bevor ich sie retten gehe. Eva versucht sich selbst zu befreien, kommt aber zwischen Steinen von unten und Wasserdruck von oben weder vor noch zurück.
Ich ziehe sie verkehrt hinaus, drehe sie und die Piesting übernimmt den Rest. Kurz darauf schippert auch schon Fiona durch den Katarakt. Auch sie erwischt den Stein in der Mitte kann aber, ähnlich wie ich auf Umwegen wieder in die Ideallinie zurück. Ich schäle mich zurück ins Boot nur um kurze Zeit später der Versuchung zu widerstehen erneut auszusteigen. Ein umgestürzter Baum kombiniert mit einer seichten Schotterbank versperren den Weg. Eva ist längst wieder zu Fuß unterwegs. Ehrgeizgetrieben schiebe ich mich über die Flachstelle hinweg. Dahinter verschwindet die Piesting zwischen steilen Uferböschungen und verengt sich. Von hier abwärts kommen wir schneller voran.
Am Ende eines Pferdestalls verlässt die Piesting die Ortschaft wieder und schlängelt sich nun nach Belieben durch die Auenlandschaft. Trotz weitläufiger Wiesenflächen verengt sich die Piesting immer wieder erstaunlich stark und bildet in den Kurven und Mäandern kleine Strudel. Einige dieser Strudel sind sogar tief genug zum Kerzeln. Philipp verbringt hier einige Minuten, während der Abstand zu Eva immer mehr abreißt. Somit bekommen Eva und Fiona auch nicht mit als ich im Schwemmholz einer Kehre eine Thermosflasche finde. „Ihr Pech“, denke ich mir. Die gehört jetzt mir.
Beflügelt von meinem Fund sehe ich mir die nächste Kehre ebenfalls etwas genauer an. Vielleicht finde ich hier auch Treibgut. Und als ob ich es mir ausgemacht hätte, blitzt zwischen den Holzstöcken die Spiegelung des Himmels hervor. Ich greife nach dem glänzenden Etwas. Beim Anheben entpuppt sich die Spiegelung als Kameralinse. Eine Wildkamera! Und ein Holzpflock auf dem sie festgeschnallt ist. Aufgrund der weiten Entfernung zu den übrigen Paddelkollegen bleibt aber nur Zeit, um die Kamera samt Pflock an mein Cowtail zu hängen und sie abzuschleppen.
Nachdem ich Eva endlich eingeholt habe, nehme ich mir die Zeit, um die Kamera vom Pflock zu befreien. Ich lege sie samt der Thermosflasche ins Boot und verschließe die Spritzdecke wieder. Es folgt eine kurze Aufholjagd bis wir mit Fiona wieder aufschließen. Inzwischen haben wir fast das Ende der Strecke erreicht. Zwischen uns und dem Hollinger Wehr liegen nur noch zwei stark überwuchernde Strauchhindernisse. Danach kündigt sich der Ausstieg bereits durch die immer langsamer werdende Strömung vor der Staumauer an.
Am Ausstieg wird das Lagerfeuer in Gang gebracht und die Grillerei vorbereitet. Sobald das Feuer lodert und wir mit leerem Magen auf die Glut warten müssen, vertreiben wir uns die Zeit mit unserem neuen Spielzeug. Wir entfernen die Speicherkarte und werfen einen Blick in die Zeitkapsel. Weit zurück reicht die Dokumentation leider nicht. Die Kamera steht erst seit Frühjahr diesen Jahres. Trotzdem zeigen sich darauf so manche interessanten Aufnahmen. Erstaunlich was da so alles in der Piesting unterwegs ist.
Marder, Mäuse, Bieber, Rehe, Hunde, Hundebesitzer, Hundebesitzer mit Wampe, Hundebesitzer mit Wampe und freiem Oberkörper, Vögel und, oh! Paddler? Obwohl die Kamera den Aufnahmen zufolge seit bereits 1 Monat im Wasser liegt, hat sie trotzdem noch unsere Rettungsaktion mitgefilmt. Die meisten Aufnahmen sind allerdings dunkle Nachtaufnahmen aus dem Boot von der Innenseite meiner Spritzdecke. Immerhin, funktionieren tut sie noch. Und sofern niemand Anspruch darauf erhebt, werden wir sie an anderer Stelle weiter über die Piesting wachen lassen. Mal sehen, was ihr auf dem Hollinger Wehr so für seltsame Kreaturen vor die Linse laufen.
Euer Paddelclub Pernitz